Wir hätten gerne ausgeschlafen, aber Taieb war früh wach. Da ich auf Prednison-Entzug bin, ist früh aufzustehen nicht ganz einfach. „Rebound“ heisst das in der Fachsprache.

Kortison putscht auf: Ich schlief jeweils drei bis vier Stunden pro Nacht, manchmal auch nur zwei – wochenlang, monatelang. Solange die Dosierungen hoch sind, macht das nicht viel aus; ich war in der Zeit trotzdem nicht allzu müde.

Kortison putscht auf und motiviert, gibt Energie, Distanz und Gelassenheit. Wenn es weg ist, kommt der Hammer. Es gibt Patienten und Patientinnen, die nach einer Prednison-Behandlung in eine Depression fallen.

Auch ich hab jetzt eine vage Ahnung, wie eine solche sich anfühlen muss: Die ersten paar Tage ohne Prednison war ich so müde, dass ich fast nichts machen konnte. Zu Beginn des Schuljahres, wo die Kinder täglich mit irgendeiner Sonderaufgabe nach Hause kommen, zusätzlich erschwerend.

Prednison kann überdies die Persönlichkeit verändern: ein Thema, auf das ich zurückkommen werde. Das diesbezügliche Unverständnis vieler Leute ist schwieriger zu ertragen als die beschissenen Nebenwirkungen an sich. Es verletzt mehr, es verletzt tiefer.

Passend zum Thema: Der Vertrauensarzt bzw. Bürokrat, über den ich noch einiges zu berichten habe, stellte mir nicht nur jede Frage (mindestens) dreimal, weil er nämlich völlig unvorbereitet war, sondern fragte mich im Ernst, ob die Prednison-Dosis 2,5 mg (gewesen) sei. Ich hätte ihm wohl am besten die Gegenfrage gestellt: „Bin ich eine Maus?“
„Nein, mein lieber Herr Kurmann, die Dosis lag bei 60, 80 und für zwei Tage sogar bei 100 mg!“ Hmm…?!? 🤔

Das Konzert gestern war sehr schön. Danke, Gion, dass du mich auf die Gästeliste genommen hattest! Danke auch den Leuten vom „Baronessa“, die für Taieb ebenfalls keinen Eintritt verlangten. Er hat es sehr genossen, war aufmerksam und interessiert, hat viel beobachtet und festgestellt.

Das ist er. Ich liebe seine Art.