Flauschi, Facebook und Feuerwerk

Sommer-Flash 7:

Ich bin jeden Morgen froh, auf Facebook daran erinnert zu werden, dass Morgen ist. Das würde ich sonst nämlich nicht merken; das habe ich ja früher, also in der Vor-Facebook-Ära, auch nie gemerkt. So kam ich also jeden Tag zu spät zur Schule und später jeden Tag zu spät zur Arbeit. Das ist jetzt wirklich gut, dass dies nicht mehr passiert. Darum würde ich FB-„Freunde“, die jeden Morgen posten, dass Morgen ist, auch nie von meiner „Freundesliste“ löschen. Meine Verbundenheit und meine Dankbarkeit dafür, dass ich seit ein paar Jahren immer weiss, dass und wann Morgen ist, und also nie mehr zu spät komme, sind viel zu gross.

Und es hat noch einen Vorteil: Jeden Morgen springt mir ein Morgengruss entgegen. Das ist doch schön. Mich grüsst ja sonst niemand. Andere grüssen dann jedes Mal fleissig zurück; ich nicht. Das ist unhöflich, ich weiss. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass mir verschlafene Kinder, die stumm auf dem WC oder am Frühstückstisch sitzen, doch lieber sind als digitale Morgengrüsse. Vor allem, wenn sie jeden Morgen aus den gleichen zwei Wörtern bestehen. Das wird dann irgendwann doch etwas langweilig und die Frage, aus welchem Antrieb heraus jemand jeden Morgen den zwischen 1’000 und 2’000 Freunden – der Wahnsinn, sooo viele (!) Freunde – mitteilt, dass er oder sie offenbar gerade gemerkt hat, dass Morgen ist, oder gerade aufgestanden ist und wohl als Erstes zum Handy gegriffen hat, taucht unweigerlich auf.

Aber missen möchte ich die Morgengrüsse nicht. Das Abreissen des Klopapiers, das einen kurzen, hellen Klang erzeugt, weil der metallene Halter sich bewegt, würde mich nicht daran erinnern, dass Morgen ist. Die übervolle Müesli-Schale von Taieb ebenfalls nicht. Nailas Gähnen nicht. Das hektische Einsammeln von Schulmaterial würde mir nicht zeigen, dass Morgen ist. Das Radioprogramm, die bekannten Stimmen. Der Duft von Kaffee, das Rattern der Maschine. Das Rufen der Kinder im Quartier, die sich auf den Schulweg machen. Der Morgentau auf dem Rasen in unserem Garten. Ich nähme alles nicht wahr, nicht auf. Darum eben: Gut, dass ich mit regelmässiger Zuverlässigkeit und zuverlässiger Regelmässigkeit daran erinnert werde.

Nailas Verschlafenheit legt sich an einem Schultag spätestens, wenn sie auf ihre Freundinnen und Freunde trifft, an einem Ferientag wie heute spätestens, wenn sie beim Einkaufen etwas Leckeres erspäht. Leuchtend gelbe oder leuchtend rote und mit Eis gemischte Getränke an einem Kiosk in Bülach zum Beispiel.

Der Kioskverkäufer fragte mich, ob sie einen Schlauch brauche. Ich verstand sofort, was er meinte, aber er muss mir trotzdem angesehen haben, dass ich seinen Ausdruck lustig fand, und fragte mich, wie das Ding denn heisse. „Röhrli“, antwortete ich, „und in Deutschland Strohhalm“. Er muss „Helm“ verstanden haben, er zeigte auf seinen Kopf. „Halm“, sagte ich, „Strohhalm“. Wir mussten beide lachen, und ich empfahl ihm, sich doch einfach „Röhrli“ zu merken. Schliesslich sind wir hier in der Schweiz und feiern morgen unseren Nationalfeiertag.

Solange ich mir keine SVP-Ansprache anhören muss, ist alles in bester Ordnung. Ich mag die 1. August-Wecken (obschon sie nicht vegan sind und darum leider nichts zu „Iss dich schön!“ und „Iss dich fit!“ beitragen…), und mir gefallen die Feuerwerke. Wir feuern und wir feiern morgen Abend und hoffen auf schönes Wetter.

Flauschi feiert und feuert mit uns. Ich habe ihn Naila für die Ferien gekauft, und sie hat ihn so gerne, dass es mir schon gut geht, wenn ich ihr beim Schlafen oder Schmusen mit Flauschi zuschaue. So brauche ich nicht einmal jemanden, der oder die mir via Facebook mitteilt, es sei Abend geworden. Flauschi übernimmt das. Auf wunderbare Weise.

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