Gemüse aus dem Garten

Intermezzo 2 (Reflexion):

Mit dem Sonnenschein war gestern doch nicht viel, aus dem Konzert wurde auch nichts. Nicht wegen des Wetters allerdings. Weiter schlimm ist das nicht, wir sind jetzt in Intragna (Tessin), wo die Sonne scheint und ich vom Balkon des Hotelzimmers aus den Ausblick in den Garten (siehe Beitragsbild) und über das Tal geniesse. Ich sehe auch Golino, das Dorf unterhalb Intragna, wo wir in diesen Ferien schon zweimal waren und nächste Woche noch einmal sein werden; ich freue mich, Nora bald zu sehen.

Ob ich meinen Blog weiterführe, stand nie zur Diskussion. Wie ich ihn weiterführe, hat mich allerdings in den vergangenen Wochen intensiv beschäftigt. Soll ich über Selda schreiben, um (viel) weniger angreifbar zu sein? Soll ich über mich schreiben? Soll ich über uns beide schreiben und unsere Geschichten vermischen? Soll ich zwei Blogs führen; einen, den ich auch beruflich verwenden kann, und einen, der nur privat zugänglich ist? Die abschliessenden Antworten auf diese Fragen habe ich noch nicht gefunden und werde wahrscheinlich ein paar gute Freundinnen und weitere Vertrauenspersonen in den Entscheidungsprozess miteinbeziehen.

So weit, so gut. Morgen erscheint mein dritter – schon nicht mehr so ganz kurzer – Zeitungsartikel seit dem 31. Juli; zwei neue Aufträge habe ich bereits. Ende Gymnasium und zu Beginn des Studiums hatte ich schon für eine Zeitung geschrieben. Warum ich den Weg nicht weiterging, sondern einen anderen einschlug, weiss ich nicht. Bereue ich auch nicht. Aber die Zeit zurückzukehren zu dem, was ich damals angefangen hatte, ist definitiv gekommen.

Ich erinnere mich zum Beispiel an die sehr positive Rückmeldung einer Kunstmalerin und einer Lyrikerin: eine Karte an mich persönlich, von Hand geschrieben, als Dank für den ehrlichen und authentischen Text über sie und ihre Werke. Ehrlich und authentisch bin ich geblieben – viele lieben mich dafür, andere hassen mich wohl dafür. Das macht mir nichts aus. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre sind wohl der Hauptgrund, warum ich zurückkehren möchte zu meinem ursprünglichen Weg: Ehrlich und authentisch kann ich jetzt nämlich über (noch) viel mehr berichten, als dies vor 20 oder 25 Jahren der Fall gewesen wäre.

Über den Sozialstaat Schweiz zum Beispiel, der zum Schurkenstaat wird, wenn eine Krankheit oder ein Unfall das Leben verändert. Das wissen nur diejenigen, die persönlich betroffen sind oder die beruflich damit zu tun haben. Es gibt keine „andere Seite“; es sei denn, diese sei selbst betroffen oder wisse Bescheid. Alle anderen haben dazu nichts zu melden, da sie nicht wissen, was in der Schweiz wirklich abgeht, wenn eine Krankheit oder ein Unfall die geordneten Pläne auf den Kopf stellt. Das gönne ich jedem und jeder. Aber wenn Nicht-Betroffene und Nicht-Eingeweihte meinen, sich äussern oder gar urteilen zu müssen, dann wünsche ich ihnen, dass auch sie einmal aus ihrer Naivität und ihrem Egoismus heraus und so richtig auf die Welt kämen.

Der Blog geht weiter; ein Vlog wird folgen. Vielleicht kaufe ich mir auch eine Videokamera; eine weitere zu klärende Frage… 😉 Mein ursprüngliches Ziel, über das Leben mit chronischen Erkrankungen – oft glücklich, immer eine besondere Herausforderung – zu schreiben, wird auch mein zukünftiges Ziel sein. Aus dem Konzert gestern zum Beispiel wurde nichts, weil ich sozusagen dauererkältet bin, Dauerhalsschmerzen habe und es gestern zu viel wurde.

Das ist die Kehrseite der Medaille, die Kehrseite des Azathioprin. Und da nützt auch kein Gurken-Smoothie, da nützen auch keine anderen hübschen (und lukrativen) „Iss dich gesund!“-Tips. Wenn das Immunsystem heruntergefahren werden muss, damit es eigenes Körpergewebe nicht mehr angreift, dann ist es ausgeschaltet. Und übrigens: Gemüse und Salate liebe ich sowieso und esse ich sowieso in grossen Mengen.

Jetzt ist die Sonne auf dem Balkon weg, scheint aber noch auf die Häuser von Golino. Wir machen uns also auf den Weg zu Nora, fangen den letzten Sonnenstrahl ein und essen Gemüse aus ihrem Garten. 🙂

 

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