„Huere Siech, hei sie gseit.“

Ich bin nicht nur Lehrerin für fünf verschiedene Fächer, ich bin auch Mama, Frau, Freundin, Nachbarin, Texterin, Bloggerin, Sängerin, Arbeitskollegin, Dompteuse in einem Flohzirkus (jeweils von 15.30 bis 17 Uhr am Freitagabend… 😉) und einiges mehr und: Physiotherapeutin:

Zur Zeit bin ich wirklich froh, dass ich Kurse in Akupressur und Massagetechnik besucht sowie von meinen eigenen Therapeuten nützliche Tips bekommen und mir ein paar Fertigkeiten angeeignet habe, die jetzt Felí zugute kommen. Und wie schon im letzten Beitrag „Shit happens.“ beschrieben, bin ich froh, dass ich jetzt nicht „nur“ durch meine Besuche, sondern – im wahrsten Sinne des Wortes… – handfest dazu beitragen kann, dass es ihm besser geht. Die Rückenmassagen tun ihm gut, und Wärme hilft nicht nur in Form von Wärmebädern für die Finger der rechten Hand, sondern auch in Form von Wärmepackungen oder -wickeln für den Rücken.

Da das Treppensteigen und -hinuntergehen nach wie vor nicht so gehen, wie es eigentlich sein sollte, muss er es bewusst zu üben. Und ich musste mal wieder fast lachen, als er mir von eben diesem physiotherapeutischen Auftrag erzählte. Aber wir üben es zusammen; ich helfe ihm, wann immer ich kann: Ich musste im Februar in der Schulthess Klinik mit einer Physiotherapeutin lernen, mit den Krücken Treppen hinauf- und hinunterzugehen; jetzt überprüfe ich jeweils bei Felí, ob er es so macht, wie auf dem Blatt, das er bekommen und mir gezeigt hat, beschrieben, und „korrigiere“ ihn, wenn er etwas „falsch“ macht. Wobei er das ja macht, weil er noch immer Schmerzen von den Rückenverletzungen her hat, und wobei ich nicht so fordernd, streng und erbarmungslos wie offenbar einige/viele (?) Physiotherapeutinnen bin.

Ich versuche schon, herauszufinden, wo seine Schmerzgrenze erreicht ist und wie weit wir gehen können, aber ich finde es schwierig, weil er sich nie beklagt und in der Physio einfach macht, wie ihm geheissen wird. Wir, das heisst Maria und ich, merken aber beide, dass dies manchmal zu viel ist und ihm (viel) mehr weh tut, als er zugibt. Das ertrage ich nicht und bin deshalb sanfter zu ihm und habe ihm überdies gesagt, er solle in der Physio für sich einstehen, wenn es ihm zu viel werde.

Wie auch immer: Ich übe mit ihm das Treppenhinaufgehen und das Treppenhinuntergehen, aber mit Gnade und Empathie. Anders kann ich gar nicht. Vor allem auch, weil er ja nicht „nur“ die Rückenverletzungen hat(te), sondern auch einen kompletten Unterarmbruch, also Brüche beider Unterarmknochen, bei denen überdies Knochenteile abgesplittert waren und die Knochen sich verschoben hatten: Der Frau aus dem Ort, die, da sie Krankenschwester ist, von einer Nachbarin gerufen worden war und die ganze Zeit, d. h. bis die Sanitäter eintrafen, mit ihm redete, war sofort klar, dass der Arm gebrochen war – und kompliziert gebrochen war.

Der Arm tut ihm auch nach wie vor weh, und ich brächte es nur schon darum nicht fertig, streng zu sein. So gehen wir also öfters zusammen die Treppen hinauf, wobei er sich am Geländer halten kann, und die Treppen hinunter, wobei ich ihm die Hand gebe, da das Geländer dann rechts ist: Ich möchte nicht, dass er das schon alleine versucht, sondern dass er den Lift nimmt, wenn er alleine ist. Und ich möchte auch nicht, dass er alleine nach draussen geht, wenn es regnet und die Wege nass und glitschig sind.

Als ich am letzten Montagmorgen von ihm aus zur Arbeit fuhr, fielen mir in der Einfahrt zur Tiefgarage Ölspuren auf, und da ich Angst hatte, er könnte eventuell diesen Weg zum Keller nehmen, was er manchmal macht, schrieb ich ihm eine Nachricht, um ihn zu warnen: Vielleicht bin ich eine Spur zu ängstlich und eine Spur zu besorgt, aber aufgrund der aufgetretenen Komplikationen wie der Lungenentzündung und der Druckstellen vom Gips, die zu Durchblutungsstörungen und beinahe auch zu Nervenschädigungen geführt hatten, sowie aufgrund meiner eigenen Krankheitsgeschichte ist dies wohl nachvollziehbar und kann ich gar nicht anders.

Ich habe ihm auch noch bis und mit letztem Wochenende regelmässig die Temperatur gemessen, weil diese noch ziemlich lange erhöht war und ich mindestens drei Tage hintereinander eine „normale“ Temperatur messen wollte, um sicher zu sein, dass er zumindest die Lungenentzündung vollständig ausgestanden hat. Dies hätte er natürlich auch selber tun können, aber er hätte es eben nicht getan… Darum sah ich mich da in der Verantwortung: Und das war gut so.

Seit Donnerstag bin ich auch – schon wieder (!) und Immunsuppression sei Dank (!) – erkältet, sodass eine Arbeitskollegin am Freitagmorgen zu mir sagte: „Das tönt aber nicht gut.“ – Hab trotzdem motiviert unterrichtet bzw. am späteren Nachmittag meine Flöhe auf Französisch zu bändigen versucht (siehe oben: 🙃) und hab trotzdem motiviert an der Lesenacht mitgeholfen: Die war super; ich war beeindruckt von den von den Schülern und Schülerinnen mithilfe einer speziellen Technik geschriebenen und wunderschön bunt illustrierten Gedichten sowie vom Thema „Flower Power“, 68er-Bewegung und Sehnsucht nach Frieden: Zwischen unseren Vorbereitungen und dem Start zur Lesenacht assen wir im Lehrerzimmer zusammen Pizza, was ich genoss, da ich mich im Team wohl fühle und insbesondere ein Lehrerkollege einen genialen Humor hat. 😃

In der Gesangsstunde am Donnerstagabend lernte ich die für französische Songs unumgänglichen Gesangstechniken: Das ist irgendwie verrückt: Französisch zu sprechen ist (ganz) anders, als auf Französisch zu singen, und eigentlich muss man so singen, als ob man kein Französisch könnte: überall die Nasallaute aufheben und als „normale“ Vokale singen, so „Français fédéral“-mässig. Sonst ist der hintere  Teil der Zunge (viel) zu weit oben, blockiert die Kehle und macht sie eng, was zum Singen natürlich alles andere als erwünscht und vorteilhaft ist.

Jetzt übe ich also „Loin de moi“, die französische Version von „Lonely Sky“, so lange, bis ich diese Techniken intus und automatisiert habe; dann nehme ich es bei Adrian auf und versehe es mit einem Video: Es läuft schon ganz gut; der regelmässige und professionelle Gesangsunterricht macht sich auf jeden Fall „bezahlt“, sodass ich mir neue und fremde Techniken (viel) schneller als früher aneignen kann: „Du kannst zu gut Englisch.“, pflegte Sandra jeweils zu sagen; jetzt sagt sie: „Du kannst zu gut Französisch.“, weil man beim Singen eben tatsächlich vieles anders machen, den Text zugunsten der Vokale in den Hintergrund stellen und den Konsonanten ihre Härte nehmen muss.

Das Beitragsbild vom letzten Beitrag „Shit happens.“ zeigt übrigens ein Bilderbuch, das Felí seiner kleinen Nichte Alma geschenkt hat und das sie jedes Mal, wenn sie ihn sieht, von ihm erzählt bekommen möchte: Am Sonntag, als ich – unplugged, ziemlich stark erkältet und in Gedanken bei ihm – unseren Song für ihn sang (siehe Beitragsbild) und Marco mit seiner Familie bei Felipe war, las er es ihr dreimal hintereinander vor: Dann war sie zufrieden.

Welche Farbe ein Kuss hat, ist jedes Mal wieder anders, würde ich sagen. Wenn Alma ihm einen Kuss gibt, stelle ich mir die Farbe sehr hell, sehr zärtlich, fast transparent mit verschiedenen Farben versehen vor. Wenn ich Felí auf die Wange küsse, fahre ich meistens gleich mit der rechten Hand darüber und wische die eher dunkle Farbe meines Lippenstifts weg. Das Original dieses Bilderbuchs ist auf Spanisch erschienen und heisst: „De qué color es un beso?“ Felí kennt die aus Barcelona stammende Illustratorin; darum ist das Buch für uns doppelt besonders.

A propos (sehr häufiger) Erkältungen dank Immunsuppression: Das ist nichts, gar nichts, ein Nichts von einem Nichts im Vergleich zu allem, was ich aufgrund der Autoimmunerkrankungen durchgemacht habe. Darum war die Immunsuppression so oder so ein Segen, und wenn ich bis Mitte/Ende Januar ohne weiteren Schub durchkomme, siehts richtig gut aus: So gut, dass ich ein Jahr nach „Imurek“ ohne Krankheitsschub (wenn auch mit ständigen kleineren Symptomen wie offenen Stellen auf der Haut (zur Zeit wieder mal an den Händen und an den Füssen, die manchmal sogar bluten…) sowie auf den Schleimhäuten im Körperinnern, vor allem im Mund-, Hals- und Rachenraum (was das Singen eben erst recht zu einer Leistung macht…)) eigentlich ein Fest geben müsste: Mal sehen.

Und jetzt muss ich noch etwas ergänzen: Nämlich die dritte Variation von unliebsamen Wahrheiten, die die neu- und leider pseudo-intellektuellen Wischi-Waschi-Nachplapperer in ihren ach so schlauen Kürslein für ach so fähige Führungskräfte angeplappert bekommen: Die da wäre: Wertungen. Also jedes Mal, wenn jemand den Mut aufbringt und die Sprachstärke hat, unliebsame Wahrheiten auf den Tisch zu bringen und zu benennen, und sich dabei erfrecht, ein Adjektiv zu verwenden, ist er oder sie sofort der/die Böse, der/die wertet:

Das darf man heutzutage in den neu- und pseudo-intellektuellen Kreisen auch nicht (mehr); die Wischi Waschis trauen sich nämlich nie, sich festzulegen und sich zu etwas/jemandem zu bekennen, und sprechen es daher allen anderen auch gleich ab: Bravo! Ihr tut mir so leid in dieser Billigkeit, dieser Feigheit, und ich werde euch noch (viel) mehr zerpflücken, als ich es bisher schon getan habe; ich werde euch noch (viel) mehr zerpflücken in euren drei Variationen: Unliebsame Wahrheiten = 1. verschiedene Wahrnehmungen = 2. Anschuldigungen = 3. Wertungen.

Das ist so was von billig, so was von feige und so was von fies und falsch denjenigen gegenüber, die diese Flucht eben nicht nötig haben und sich trauen zu äussern, was Sache ist. Und da hab ich, wie bereits erwähnt, in Bezug auf die Wirtschaftsschule KV Winterthur noch einiges auf Lager: Ich warte mal die Verhandlung ab, zu der ihr Arschlöcher es ja kommen lässt, weil es euch so was von scheissegal ist, ob bei mir dadurch ein Krankheitsschub ausgelöst wird oder nicht:

Die meisten lassen es nämlich gar nicht so weit kommen, wie ich aus Fachkreisen weiss, sondern lenken vorher ein, aber ihr selbstverständlich nicht, ihr kranken in eurer absoluten Unfähigkeit, zahlreiche und grobe Fehler einzugestehen, gefangenen Führungskräfte mit euren Zweitwohnungen, die mich nur schon vom Hörensagen her ach so ätzend langweilen. (Wir setzen das Geld, das wir für eine Zweitwohnung in Casablanca gebraucht hätten, regelmässig für benachteiligte Menschen ein – und das hätte ich, wenn ihr mir nicht so unendlich grosses Unrecht getan hättet, nie öffentlich gemacht.)

„Wenn sie acht Tage auf Kreta verbringen kann, kann sie auch unterrichten/arbeiten.“, ist an Simplizität, menschlicher Dummheit und medizinischer Dummheit schlicht nicht zu überbieten, und den Zusammenbruch in der „Agios Titos“-Kirche von Heraklion hattet ja nicht ihr; das Flugpersonal von Heraklion bis nach Zürich auf Trab gehalten hattet auch nicht ihr, ihr Arschlöcher ersten Grades. (Auf Trab gehalten hatte ich sie übrigens nicht mit Worten; reden konnte ich in meinem damaligen Zustand nämlich nicht (mehr), ihr Arschlöcher mit Platin-Auszeichnung.)

So, und jetzt habe ich keine Zeit mehr; ich möchte mit Felí und Maria spazieren gehen und danach mit ihnen einen Film schauen: „Watch on the Rhine“, ein Film über Spionage und Nationalsozialismus, aus dem ich eventuell im Geschichtsunterricht Passagen zeigen kann. Er dauert nicht ganz zwei Stunden, und ich hoffe, dass Felí diesen Film am Stück schauen kann. Sonst unterbrechen wir ihn, das ist klar. Aber ich hoffe, dass es geht. Für ihn – nicht wegen mir oder dem Film oder was weiss ich was, sondern: für ihn.

– – –

Und hier noch ein Super-Song, der tragisch endet und dessen Ende, seit Felí vorgestern vor acht Wochen den Unfall hatte und die Ambulanz mit Blaulicht vorfuhr, mich zum Erschauern bringt:

„144, hei sie gseit,

wie isch das nume passiert, hei sie gseit,

huere Siech, hei sie gseit.“

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