„Irgendwann lande ich noch im Gefängnis, ich sehe es kommen.“, sagte ich bei einem Abendessen zu P. Worauf er lachen musste und meinte: „Dann holen wir dich da raus. Für etwas habe ich ja einen Bruder, der Anwalt ist.“ Da musste ich ebenfalls lachen.
Ob ich mal im Gefängnis lande oder nicht: In der Schweiz macht sich unbeliebt und lebt „gefährlich“, wer die Dinge beim Namen nennt, kein Blatt vor den Mund nimmt, sich auflehnt und von dem ach so langweiligen Mittelmass abweicht: Das Mass aller Dinge in diesem Land ist das Mittelmass – sei es an Universitäten, in der Politik oder in Firmen. Um keinen Preis aufzufallen, ist das Motto der grossen Mehrheit; wer nicht mitmacht, dem oder der wird beständig suggeriert, dass er oder sie hier der Problemfall sei. Doch in den weitaus meisten Fällen steckt Neid oder Opportunismus dahinter. (Was schon gar nicht geäussert werden darf – sonst ist der oder die Äussernde gleich noch einmal ganz „böse“.)
Die spiessige Miefigkeit zeigt sich auf vielfache Weise: Dass Leute sich von einem abwenden, weil ihnen wahrer Mut Angst macht (was sie natürlich nie zugeben würden…), ist das eine. Dass viele davon sich eine Scheinwelt aufgebaut haben, wo entweder das Gelabbere von den verschiedenen Wahrnehmungen (schlaue Kürsli für sogenannte Führungskräfte (die sich im Zoo bei den Papageien bestimmt viel besser entfalten könnten) lassen grüssen (und kosten nichts, oder?)) oder viel zu simples, esoterisch-ideologisches (und wissenschaftlich völlig unhaltbares) Geschwätze oder ein Vorspielen von heiler Familienwelt (mit den hübschesten und liebsten Kindern der Welt) dominiert, ist das andere. (Aber wenigstens liefert das alles immer wieder Stoff für Satire – ist ja ganz gut so.)
Nicht, dass mir der Stoff sonst ausginge. Aber ich freue mich auf das eine und andere Satirestück zu oben erwähnten sowie zu weiteren Themen… Mir geht es nämlich ziemlich gut; meine Gesundheit liefert nicht mehr so viel Schreibstoff wie auch schon. (Wobei das ja auch krass viel war…) Irgendwelche (Autoimmun-)Symptome habe ich zwar meistens, vor allem im Hals- und Rachenbereich sowie in den (grossen) Gelenken. Aber ich habe gelernt, damit zu leben – so gut sogar, dass Uneingeweihte nichts davon merken. (Und was wir nicht sehen, glauben wir nicht. (Weisheit und grenzenlose Überheblichkeit an der Wirtschaftsschule KV Winterthur.))
Als wir drei Tage in Andeer verbrachten, schnitt ich mir zweimal in einen Finger (etwas ungeschickt, ich weiss schon…). Das wäre an sich nichts Schlimmes; ausser, dass bei mir Blutungen heftiger sind und (viel) länger dauern als bei den meisten Menschen. Doch das kriegten wir hin und verbrachten schöne, sonnige und erholsame Tage in den Bündner Bergen: Das zum Hotel gehörige Mineralbad tat sowohl meinen Gelenken als auch P.s rechter Schulter und seinem Rücken gut.
Mit P. gehe ich zudem regelmässig spazieren, oft in unserer schönen Umgebung. Gestern war überall der Frühling zu spüren, und wir konnten an der Tössegg draussen sitzen. P. hat zum ersten Mal im Leben ein Apérol Sprizz getrunken. (Zum Glück wars ein sehr gutes. :-))Ich habe mich gefreut, eine Nachbarin/gute Bekannte anzutreffen und ein bisschen mit ihr zu reden.
Am Samstag waren wir zu viert (mit unseren beiden Mädels, die sich bestens verstanden und von den verrückten Wasserrutschen, auf denen auch P. und ich unseren Spass hatten, nicht genug bekommen konnten…) im Säntispark. Nächsten Samstag gehen wir wieder an eine 80ies-Forever-Party im Papiersaal in Zürich. Mitte Februar waren wir im „Falcone“ in Zürich an einem Auftritt eines befreundeten Musikers; weitere Konzerte stehen für die kommenden Wochen und Monate auf dem Programm. Wie viele Filme (sei es im Kino, sei es zu Hause), Dokus und Satiresendungen wir schon zusammen geschaut und wie viele Stunden wir schon darüber diskutiert, gelacht oder geweint haben, kann ich schon bald nicht mehr zählen… In meiner Küche habe ich zudem eine kleine Galerie mit Rotweinflaschen begonnen – jede eine Erinnerung für sich.
Zwischendurch schaffe ich es auch, mich mit Freundinnen zu verabreden, und über meine beruflichen Tätigkeiten würde ich gerne mehr und ausführlicher berichten, halte mich aber zurück, da Schilderungen von Begebenheiten dazu führen könnten, dass Personen erkannt werden (was ich vermeiden möchte). Irgendwie zwar schade, da ich fast jede Woche Begegnungen habe, die es wert wären, erzählt zu werden und die für Auflockerung sorgen würden. (Aber es wird auch ohne diese nicht langweilig; da bin ich mir sicher.)
Auf dem Weg in den Säntispark fuhr ich zweimal die Strecke zwischen Eglisau und Rorbas (bzw. Winterthur):
Also die Strecke, auf der ich am 30. Januar 2016, meinem letzten Arbeitstag an oben genannter Schule (an der einige mich kurze Zeit später auf FB ausspionieren und mit dem gefundenen Fressen aufs Büro der Schulleitung rennen sollten… (Nein, von Kindergarten schreibe ich jetzt nichts mehr. (Ich tue den Kindergärten eh nur Unrecht damit.))), gerade noch an den Strassenrand fahren konnte, bevor ich mich übergeben musste, zusammenbrach und anschliessend von einem älteren Herrn, dem ich immer noch und bis an sein Lebensende an bestimmten Tagen Blumen schicke, mit einer (beherzten) Herzdruckmassage in die damalige Wirklichkeit zurückgeholt wurde.
Die Strecke auch, auf der mir am 30. Mai 2018 ein Geisterfahrer entgegenkam, worauf meine Hausärztin nicht sicher war, ob ich auch diese (zusätzliche) Belastung noch aus eigenen Kräften bewältigen könne. Konnte ich aber. „Eine belastete Strecke“, sagte ich denn auch nur, als wir am Samstag auf eben ihr unterwegs waren. (Nicht, dass P. nicht mehr wüsste – das tut er natürlich schon. Aber ich brauche nicht (mehr) darüber zu reden.)
Die Songaufnahme musste ich wegen einer langwierigen Erkältung (hat etwas mit chronischen Erkrankungen und mit Immunsuppression zu tun, richtig!) um zehn Tage verschieben und freue mich darum auf übermorgen, wenn ich mit meiner Tochter, für die ich einen Jokertag beziehe, ins Studio fahre und „Loin de moi“ aufnehme. Und morgen treffe ich meinen Webdesigner, um meine Website und alles, was dazugehört, fertigzustellen.
Und jetzt muss ich los. Ich sitze nämlich im „Starbucks“ beim Bellevue in Zürich, da ich am Morgen mit P., der heute ausnahmsweise in Zürich tätig ist, die S-Bahn nahm. Unterricht habe ich nur von 15.30 bis 17 Uhr, da an einer meiner beiden Schulen noch Ferien sind. Also kann ich noch anstehenden Bürokram erledigen.
Cheers. (Mit einem „Vanilla Latte“.) Auf ein bisschen mehr Mut in diesem Land.