Immer intuitiv, immer unvorbereitet

„Kannst du nicht noch ein bisschen bleiben & der Schule sagen, der Mann habe dich nicht gehen lassen?“, fragte mich Stefan gestern Morgen, als ich mich von ihm verabschiedete. Er war noch im Bett, als ich um 6.50 Uhr aus dem Haus ging. Aufgestanden war ich um 5.30 Uhr.

Ich fand das süss & musste lachen. Diese spontanen, witzigen & charmanten Bemerkungen liebe ich so an ihm. Nebst viel anderem, was ich an ihm ebenfalls liebe, versteht sich.

Er blieb dann den ganzen Tag bei mir & machte Homeoffice. Ich war überrascht, als er mir das schrieb; ich freute mich, ich genoss es. Und holte in der kleinen Migros bei uns noch Kaffeekapseln mit Stärkegrad 8 von 10 für ihn.

Ich kam etwas früher als dienstags üblich nach Hause, da ich die Parallelklasse (meiner eigenen Klasse) eine Lektion früher gehen lassen durfte. Dies, weil ich seit Freitagabend das Gleiche habe, was Stefan schon seit vorletztem Wochenende hat: Husten & Stimme am A… Das ist in meinem Beruf besonders anstrengend.

Dass er mich anstecken würde, war zu 99,99% klar gewesen. Ich meine, näher kommen, als wir uns kommen, kann man sich gar nicht mehr, obschon ich mir das manchmal wünsche, mich manchmal danach sehne (siehe auch letzter Beitrag „Neue Dimensionen“). So nahe, wie ich Stefan komme, bin ich keinem Mann zuvor gekommen. Auch das habe ich schon einmal erwähnt.

Das fasziniert mich auch durchaus… – sehr sogar. Aber es macht mir überhaupt nichts aus – weder in die eine noch in die andere Richtung. Es hat immer gestimmt. Und jetzt ist es trotzdem anders & stimmt auch.

Die einzige Bemerkung, die es hier & jetzt anzufügen gibt: Ich habe mich nie über etwas beklagt. Umgekehrt hat auch kein Mann sich je beklagt – im Gegenteil. Das heisst, keiner ausser einer.

So am Schluss, als wieder einmal die Mülltonne ausgekippt wurde & lauter Peanuts herhalten mussten, damit das, was wirklich & tatsächlich die grosse Problematik darstellte, um alles in der Welt nicht zur Sprache kam. Und genau dieser Mann hätte ja – wenn es denn ein Problem gewesen wäre… – sich selbst an der Nase nehmen & sehr viel mehr bieten können, anstatt herumzuheulen. Aber eben: So war es halt furchtbar bequem & furchtbar einfach.

Warum ich draufkomme? Weil es sich erstens im Flow des Schreibens ergeben hat & weil es zweitens genau ein Jahr her ist, als ich ihn zum letzten Mal sah. Wie unendlich erleichtert, froh & dankbar ich jetzt dafür bin, konnte ich damals (noch) nicht ahnen.

Aber irgendwie hat Karma es gut mit mir gemeint. Das gilt sowohl privat wie auch beruflich. Und wieSo, dass ich es selbst (immer noch) kaum fassen kann – auf beiden Ebenen. Darum ist für mich heute nicht nur internationaler Frauentag, sondern auch ein Tag der Freiheit.

Ich habe im vergangenen Jahr so viel über mich selbst gelernt, so viele Hintergründe & Zusammenhänge verstanden & zu mir selbst (zurück)gefunden, dass es mich selbst bisweilen fast überwältigt. Auch, wie gewisse Leute, die mit meiner Authentizität, meiner Intensität, meiner Intelligenz & meiner Stärke überfordert sind, versucht haben, alles zu verdrehen. Dass ich in gewissen Situationen anfällig für Schuldzuweisungen war. Was dann – bewusst oder unbewusst – erst recht ausgenutzt wurde.

Na ja, ich könnte ein Buch darüber schreiben. Aber das ist gar nicht nötig. Für mich persönlich jedenfalls nicht. Anderen könnte es wohl schon helfen. Aber das versuche ich zur Zeit auf andere Arten. (Anderen zu helfen, meine ich.)

Und es gelingt mir offenbar gut. So viele positive Rückmeldungen, wie ich auch vor den Ferien wieder bekam & in den sechs Arbeitstagen seit den Ferien bereits wieder bekommen habe, kann ich gar nicht aufschreiben. Zum Teil selbst kaum glauben… Auch das ist bisweilen fast überwältigend.

Gut also, ich kam also etwas früher nach Hause gestern Abend. Da Stefan grad in einer online-Besprechung war, machte ich noch ein paar Übungen mit den Hanteln. Danach bereitete ich das Abendessen zu: Kartoffeln, Broccoli mit Butter & Cherrytomaten mit Olivenöl von Kreta, Aceto Balsamico & Fetawürfeln. Dann redeten wir noch lange & kamen spät ins Bett. Und zum Schlafen grad nochmals (viel) später… 🤪

Trotzdem schaffte ich es, um 5.30 Uhr aufzustehen & um 7.30 Uhr vor meiner Klasse zu stehen. Was zur Zeit alles los ist & läuft, ist so viel, dass ich es nie & nimmer auch nur annähernd wiedergeben kann. Aber das macht ja eigentlich nichts.

Erstens ist es in mir gespeichert & zweitens kann ich ja jetzt, wo ich kaum noch ‘was anonymisiere, natürlich nicht frisch von der Leber weg alles erzählen, was so abgeht. Insbesondere auf der sozialen wie auf der emotionalen Ebene geht im Alter meiner Schüler & Schülerinnen – wie auch meiner eigenen Kinder – extrem viel ab. Was äusserst wichtig & äusserst wertvoll ist.

Ach ja, weil es grad dazu passt: Meine Tochter ist immer noch mit ihrem Freund zusammen. Die sind jetzt für ihr Alter (13 & 14) schon lange zusammen, muss ich sagen. Auch das finde ich schön.

Auf 11.30 Uhr musste ich zu meiner Ärztin für eine reguläre Blutkontrolle wegen des Immunsuppressivums. Das ist so alle drei bis vier Monate nötig. Und im gleichen Zug kann jeweils auch die Nährstoffversorgung überprüft werden. Die ist bei mir, wie auch schon geschrieben, zeitweise kritisch, weil chronisch entzündete Schleimhäute nicht alle Nährstoffe aufnehmen können.

Aber ja – das wird jetzt wohl alles zusehends besser. Auch die Gelenkschmerzen sind zurückgegangen – sehr sogar. Was bleibt, sind die eingeschränkte Sehkraft in die Weite, der Herzklappendefekt sowie die Prägungen durch gesundheitliche Grenzerfahrungen.

Was bleibt, ist der tiefe Einblick ins Innere anderer Menschen: derjenigen, die mir massiv Unrecht taten, und derjenigen, die zu mir standen, mich unterstützten, mich retteten – immer & immer wieder. Was bleibt, ist die Klarheit, dass die Art, wie Menschen mit einer von einer (schweren) chronischen organischen Erkrankung betroffenen Person umgehen, ganz viel über diese Menschen selbst selbst aufzeigt. Was bleibt, sind die Kraft, die Stärke & das Wahrnehmen des Lebens in weiteren Dimensionen.

Heute Nachmittag hat eine Weiterbildung an der Schule stattgefunden. Aber ich hatte mich abgemeldet, da ich eben meine Stimme schonen möchte, um den Unterricht nicht bzw. nur sehr eingeschränkt ausfallen zu lassen. Krank fühle ich mich nicht; ich habe nur den gleichen Husten wie Stefan (und Arbeitskolleginnen von mir) sowie eine angeschlagene Stimme. Was, wie oben schon erwähnt, beim Unterrichten von 21 oder 22 Teenagern eben echt anstrengend werden kann…

Stefan hustet auch immer noch, aber weniger als letzte Woche. Und es geht ihm besser. Er hatte – im Gegensatz zu mir – ja auch Gliederschmerzen & Fieber.

Bei seinen Eltern in Maloja konnten seine Mutter & ich ihn mit vereinten weiblichen Kräften wenigstens überzeugen, Tropfen gegen den Husten zu nehmen. Und für die Rückfahrt kaufte ich am Bahnhof von St. Moritz zwei weitere Sorten Bonbons für uns beide. Die versüssten uns die Fahrt im „Gourmino“ noch ein bisschen.

Vorhin hab‘ ich in der Apotheke Lutschtabletten & Sirup gekauft – in der Hoffnung, dass er den Husten endlich ganz los wird & ich die verbleibenden Arbeitstage einigermassen „normal“ durchziehen kann. Da ich ja grundsätzlich mit viel Energie & engagiert unterrichte, wie mir immer wieder attestiert wird, macht es auch nichts, wenn der Energie- & Engagement-Level vorübergehend mal etwas runterkommt. Mal sehen, ob ein(e) Schüler(in) einschlafen wird… 😅

Das Wochenende in Maloja war sehr schön, erholsam, sonnig & warm. Den Spaziergang über die gefrorenen Seen bis nach Silvaplana werde ich nur schon wegen des supercoolen Sounds, der durch die Spannungsrisse im Eis die ganze Zeit entstand, nie vergessen. Beim Zwischenstopp in Isola assen wir hausgemachten Marroni- & Apfelkuchen & tranken Kaffee. Und am Abend besuchten wir die Nira-Rooftop-Bar in Silvaplana Surlej, was grad nochmals supercool war.

Stefans Eltern hatten mich offen & herzlich empfangen. Sowohl am Samstag- wie auch am Sonntagmorgen frühstückten wir zu fünft. Frithjof (87), ein Freund von Stefan, der am Donnerstag aus Norddeutschland angereist war, war nämlich auch dabei.

Er ist bis heute Morgen in Maloja geblieben & hat mich vorhin angerufen. Und zwar aus Basel, wo er auf den Zug nach Freiburg im Breisgau wartet. Dort besucht er seine Tochter, die am letzten Sonntag im Februar ein Baby bekam. Und dort traf ich Alexandra zum ersten Mal. Im Sommer 2014 war das, wenn ich mich richtig erinnere… 😀

Nicht nur hat Frithjof mich vorhin angerufen, auch Stefans Mutter hat mir heute eine WhatsApp-Nachricht geschickt. Sie hat sich nochmals für meine süssen Mitbringsel aus dem „Fleischli“ bedankt. Hab‘ ihr dann zurückgeschrieben, worauf sie mir auch nochmals geschrieben hat.

Schon damals, als ich meinen kleinen „Auftritt“ am Radio hatte (siehe Beitrag „Super im Ghetto“), meldete sie sich sofort bei mir. Sie hatte mich am Radio gehört & gab mir recht mit dem, was ich gesagt hatte. Ich schrieb ihr zurück, worauf sie mich ermunterte, so weiterzumachen.

Auf dem Heimweg ging ich noch im Coop unseres Stadtteils einkaufen. Und als ich dann die Treppe zu meinem Haus runterkam, sah ich Stefans Velo. Ich hatte nicht gewusst & auch nicht damit gerechnet, dass er noch bei mir war. Sie sind so wunderbar, diese kleinen grossen Überraschungen… 💓

Also assen er, meine Tochter & ich zusammen zu Mittag. Ich hatte Ofen-Frites entdeckt & gekauft; meine Tochter war hell begeistert. Insbesondere als sie sogar noch Mayonnaise im Kühlschrank fand…

Gleich bereite ich das Abendessen zu. Hab‘ wieder mal eine Ananas gekauft – zur Erinnerung an Sansibar. Und möchte einen Ananas-Avocado-Tomaten-Mozzarella-Salat machen – ähnlich wie auf Sansibar.

Jedes Mal, wenn ich schreibe, was ich gekocht habe, bekomme ich ein paar persönliche Anfragen nach dem Rezept. Das find‘ ich ganz lustig. Auch, weil ich meist gar keines habe, sondern intuitiv koche. Wie in allem: immer intuitiv, immer unvorbereitet.

Läuft super. 🤷🏻‍♀️

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