Viel zu viel gegeben

Ich sitze grad im „Pano“ in Konstanz, trinke Kaffee & versuche, meine vielen Projekte etwas zu sortieren. Alles sehr kreativ, vielfältig, inspirierend & spannend… Gleichzeitig muss ich schauen, dass ich trotzdem einfach mal einen Tag zu Hause habe, am liebsten den Sonntag.

Das geniesse ich sehr, einfach mal einen Tag (oder, wenn Feiertage oder Ferien sind, evt. auch zwei, drei Tage…) zu Hause zu sein, zu lesen, zu schreiben, zu singen & mich dem hinzugeben, was grad kommt. Es tut gut. Und es ist ein gutes Zeichen, wenn ein Mensch das kann.

Wer ständig getrieben ist & nicht einmal einen einzigen Tag zu Hause in Ruhe & nur mit sich selbst verbringen kann, hat höchstwahrscheinlich innere Probleme. Innere Unruhe nach aussen gekehrt zeigt sich in verschiedenen komischen Verhaltensweisen, aber eben auch darin, dass schon ein paar ruhige Stunden zu Hause ein Ding der Unmöglichkeit sind. Solange die Betroffenen sich dessen bewusst sind & dazu stehen, ist das ja halb so wild. Schwieriger wird es, wenn jemand nicht dazu steht & so tut, als ob das völlig normal wäre.

Ich habe schon wieder so viele Notizen für neue Texte, dass ich kaum nachkomme, darüber zu berichten. Und ich notiere ja längst nicht alles. Sonst wäre es uferlos, käme ich gar nirgends hin.

Ich könnte jeden Tag einen Beitrag verfassen, meist sogar einen längeren. Allein all‘ die Begegnungen mit Menschen würden schon jede Woche mehrere Beiträge füllen, seien es die abgemachten & erwarteten, seien es die spontanen & unerwarteten… Ich liebe beides so sehr.

Mit der Frau damals im Starbucks des Orell Füssli, bevor ich mit Monika im Hiltl essen ging (siehe Beitrag „Endlich wieder mal vor der Linse“), zum Beispiel. Sie redete viel, unter anderem über ihren verstorbenen Ehemann & ihre zwei (fast-)erwachsenen Kinder, hörte mir aber dennoch auch zu & bewunderte, dass ich als Mutter von zwei Teenagern auch noch Lehrerin von Teenagern bin. Offenbar konnte sie sich vorstellen, was das bedeutet, und wünschte mir beim Abschied viel Freude mit all‘ den Jugendlichen um mich herum.

Oder anfangs Februar diejenige mit der sehr jungen Verkäuferin im Dosenbach in der Marktgasse Winterthur, wo ich erleichtert war, so coole Slip-ins zu finden. Sie erkundigte sich, ob ich das Bein gebrochen hätte. Dann packte sie die Schuhe sorgfältig ein & wünschte mir gute Besserung.

Dann die Aussage der Kosmetikerin in Zürich, ich sei ja echt „tough“, im Rahmen einer Laserbehandlung an den Beinen. (Ich hatte das mit den Wachsstreifen satt & fand es nicht nur mühsam, sondern auch anstrengend.) Und, wenn ich schon dabei bin: Laserbehandlungen kann ich sehr empfehlen. Sie lohnen sich, da die Laser mittlerweile stark & effektiv geworden sind, extrem. Hab‘ natürlich auch ideale Voraussetzungen dafür: helle Haut & dunkle Haare. 😅

Jedenfalls sagte die Kosmetikerin das, was mir schon viele Leute, darunter etliche Ärzte & Ärztinnen, gesagt haben: dass meine Schmerzlatte sehr weit oben liege & ich eben viel grössere Schmerzen, ohne aufzumucksen, ertrage als weitaus die meisten. Diese Anerkennung tut mir natürlich jeweils gut. Auch wenn ich dafür dankbar bin, ist es ja schon auch mein Verdienst. Nicht nur, aber auch.

Meine beiden Kinder habe ich spontan, vaginal & ohne jegliche Schmerzmittel zur Welt gebracht. Was das bedeutet, was das wirklich bedeutet, können in diesen Breitengraden, das heisst in den sogenannt westlich-zivilisierten Ländern nicht mehr viele Frauen auch nur erahnen. Es sind unvorstellbare & unbeschreibliche Schmerzen. Wer sie durchgestanden hat, ist danach eine andere Frau. Muss danach eine andere Frau sein. Anders geht es nicht. Noch viel stärker als zuvor schon.

Eine Frau, die das durchgestanden hat, wird sprachlos, wenn ein Mann sie mit einer Frau, die das nicht erlebt hat, vergleicht. Noch absurder wird es, wenn er sie gar mit einer, die nicht Mutter geworden ist, vergleicht. Der ganze weite, weite Erfahrungshorizont, der fehlt. Schlicht fehlt & durch nichts, wirklich gar nichts, auch nur annähernd zu ersetzen wäre. Sowohl auf der körperlichen wie auch auf der seelisch-mentalen Ebene.

Mir persönlich wären solche oder ähnliche Vergleiche nie eingefallen. Ich bin nicht in dem kindischen Stadium, wo man meint, alles müsse so sein & bleiben, wie es immer gewesen ist & wie man es kennt, und fast durchdreht, wenn mal etwas anders ist, als man es kennt & es immer gewesen ist, steckengeblieben. Bzw. bin ich gar nie in diesem irgendwie ja auch krankhaften Stadium gewesen. Nein, ich würde nicht vergleichen, wenn ich nicht gezwungen worden wäre, aufzubegehren & mich zu wehren.

Darum: Nehmt es mir nicht übel. Es ist nichts gegen irgendjemanden. Es ist etwas, was ich für mich tun muss. Für mich eingestanden bin ich nämlich öfters (viel) zu wenig. Was ein paar Leute bewusst oder unbewusst, aber in jedem Fall schamlos, ausgenutzt haben.

Viel zu offen & viel zu flexibel.
Viel zu viel gegeben.
Und mich viel zu fest den furchtbar rigiden Vorgaben & Plänen anderer angepasst.

Nun gut – ich lerne daraus & mache den gleichen Fehler kein drittes Mal.

Ende letzter Arbeitswoche redete ich in der Pause noch ein bisschen mit Alia. Sie kommt aus dem Libanon & ihr Vater ist türkisch-zypriotischer Herkunft. Wie mein Vater. Das ist aber nicht das einzige, was uns verbindet.

Sie sagte mir, sie finde meine Offenheit & die Tatsache, dass ich mit meinen Kindern die Kultur meines Exmanns pflege & sie darin unterstütze, wo ich kann, mega & alles andere als selbstverständlich. Ihre Anerkennung sah ich auch in ihren Augen. So erklärte ich ihr kurz, warum ihre Worte mich besonders berühren.

Fast die gleiche Episode, sehr ähnliche Worte & grosse Anerkennung wenige Stunden später von Leila, die ich am Freitagabend letzter Woche in der Schmiedstube Bülach traf.

Wiederum sehr ähnliche Worte über WhatsApp auch schon einige Tage zuvor von dem Kollegen, den ich übermorgen zum „Ftour“ treffe.

Hmm…, ja…, vielleicht halte ich hier im Blog dann mal gnadenlos fest, warum mich all‘ diese anerkennenden Worte besonders berühren.

Vielleicht halte ich auch mal gnadenlos fest, warum ich zweimal den gleichen Fehler gemacht habe.

Wer weiss… 🤷🏻‍♀️

Obigen Text schrieb ich am Montag.

Heute ist schon wieder Freitag.
Total speziell & wunderschön gewesen…
Hab’ im Rahmen unserer Mottowoche an der Schule so viele Komplimente fürs Outfit & Aussehen bekommen, dass es fast schon surreal ist. 😊

Lupus fighter.

Lupus survivor.

Und niemand siehts.

 

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