Singing, playing and coping

Heute ist der 28. März. Osteopathie am Abend, am Morgen Blutkontrolle. Die nächste habe ich, so Gott will, am 3. Mai. Das muss schon fast als Grosserfolg verbucht werden. Gut, es hat auch mit der Ferienabwesenheit meiner Hausärztin und mit meinen eigenen Reisen nach Dublin und England, von denen ich bis vor Kurzem nicht geglaubt habe, dass sie zustandekämen, zu tun. Aber dass es überhaupt möglich ist, erst in fünf Wochen wieder einen Termin abzumachen, ist – für mich – super. Das Blutbild ist nämlich – für meine Verhältnisse – gut; die Infektion, die mich am Montag vergangener Woche an einen Punkt der Verzweiflung gebracht hatte, hat der Körper trotz massiver Unterdrückung des Immunsystems bekämpfen können, was ich vom letzten Mittwoch an spürte und was heute Morgen auch im Blutbild ersichtlich war. Zum Glück. Nicht einfach so als Floskel, sondern im wahren Sinne des Ausdrucks: zum Glück. Ich weiss nicht, was ich sonst getan hätte…; es wäre definitiv zu viel gewesen.

Es gibt Menschen, denen schnell „alles“ zu viel wird. Und es gibt Menschen, die sehr viel aushalten und ertragen können. Ich darf sicher mit gutem Gewissen schreiben, dass ich zu Letzteren gehöre. Dabei geht es nicht ums Vergleichen und schon gar nichts um Werten. Wir sind alle unterschiedlich geboren und geprägt worden und haben unterschiedliche Ressourcen mit auf den Weg bekommen. Dass ich viele Ressourcen habe, die mir durch ganz schwierige Zeiten hindurch geholfen haben, macht mich nicht stolz. Sicher nicht. Ich bin lediglich froh darum und dankbar dafür. Sehr sogar. Das meine ich, wenn ich über die Thematik des sogenannten „Coping“ berichte. Dass ich darin gut bin, ist keine Leistung, sondern ein Geschenk. Es gibt nur einen negativen Punkt dabei; einen, den ich jeweils auch meine, manchmal explizit ausdrücke, manchmal eher darauf anspiele. Nämlich das Verhalten und das Gerede von Leuten, die keine Ahnung haben, worüber sie reden und worüber sie urteilen. Unwissen in Bezug auf Krankheiten ist weit verbreitet, und Unwissen hat oft Unverständnis zur Folge.

Unwissen an sich ist ja nichts Verwerfliches. Aber Gerüchte zu verbreiten und Urteile zu fällen, wenn ganz viele Fakten fehlen, ist schon sehr dumm. Und es handelt sich um eine Art von Dummheit, vor der auch gebildete Leute nicht gefeit sind. Überhaupt nicht. So, wie es bei Selena Gomez oder allgemein ausgedrückt bei einer prominenten Person sofort heisst: „Drogen!“, heisst es bei einer bei berufstätigen Mutter: „Burnout!“. Schnell gesagt und noch schneller verbreitet. Dumm gesagt und noch dümmer verbreitet. Welches Unrecht vielen Betroffenen damit angetan wird, lässt sich eigentlich gar nicht ermessen. Aber ja, vielleicht auch ganz gut so. Wenn ich dieses Unwissen, Unverständnis, Unrecht nicht auch gespürt hätte, gäbe es meinen Blog wahrscheinlich nicht. Das wäre ja auch schon fast ein bisschen schade. Diese Feststellung hilft mir an guten Tagen. An schlechten Tagen hilft mir die Überzeugung, dass diejenigen, die eine grosse Klappe haben und Gerüchte, die ja meistens falsch sind, verbreiten, auch diejenigen sind, deren „Coping“ ich wohl nicht würde sehen wollen, wenn sie selbst betroffen wären.

Es gibt relativ harmlose Autoimmunerkrankungen. Und es gibt schwere. Zum Beispiel Multiple Sklerose, Morbus Crohn, Colitis Ulcerosa, Nephritis, Rheumatoide Arthritis, Systemischer Lupus Erythematodes, Sarkoidose, …, …, … Wobei es bei den meisten ganz unterschiedliche Verläufe gibt, die wiederum von (sehr) mild bis (sehr) schwer reichen. Nach den Frühlingsferien auf Kreta im letzten Jahr, die mir wohl auch gewisse Leute missgönnten – vielleicht hätte ich statt der Landschaftsbilder meine beiden Zusammenbrüche posten sollen… -, stellte sich heraus, dass Prednison nicht mehr wirkte, und wurde die ursprüngliche Annahme eines milden Verlaufs erstmal gründlich über den Haufen geworfen… Zudem sind Autoimmunerkrankungen unheilbar. Dieses Wort verstehen auch nicht alle Leute. Was es bedeutet, physisch und psychisch, schon gar nicht. Sie verwechseln „behandelbar“ mit „heilbar“. Doch dazwischen liegen Welten, zumal die Behandlungen den Behandelten oft sehr zusetzen können. Auch davon kann ich ein Lied singen, also eigentlich mehrere Lieder, viele Lieder, keine schönen Lieder…

Aber zur Zeit sieht es ja ganz gut aus; die Chemotherapie „light“ scheint endlich angefangen zu haben, ihre Wirkung zu entfalten, und die Blutwerte sind wie erwähnt stabil. Die Blutungen und Schmerzen sind zurückgegangen, was auf einen Rückgang der inneren Entzündungen schliessen lässt. Ein paar Tage lang war noch die Magenschleimhaut entzündet; das ist jeweils weniger schmerzhaft, weniger beeinträchtigend und weniger störend als Entzündungen anderer Organe. Problematisch wäre, wenn ich die Gastritis jeweils länger als eben nur ein paar Tage hätte, weil ich dann jeweils nicht viel essen kann. Der Druck in der Magengegend bremst den Appetit sehr schnell und stoppt ihn manchmal ganz. Für kurze Zeit macht das nichts, aber danach könnte es eben problematisch werden. Daher bin ich froh, dass es meistens nicht lange dauert – so auch in den vergangenen Tagen wieder. Ich habe vereinzelt auch schon längere Perioden erlebt, und dann sind wohl wiederum schnell falsche Urteile gefällt. Keine Ahnung… Wer mich auch nur ein bisschen kennt, weiss, dass ich erstens gerne esse und zweitens das Essen geniesse. Letzthin habe ich am Radio von einer Studie gehört, die besagt, dass Menschen, die das Essen geniessen, schlanker sind als Menschen, die hastig essen und mit den Gedanken schon wieder woanders sind. Das finde ich sehr einleuchtend.

Nebst der „Lady in red“ und der „Lady in blue“ gibt es jetzt noch eine „Lady in green“. Von hinten betrachtet, schlank, durch den Regen gehend, mit Regenschirm. Die Gemälde gefallen mir, und ich bin gespannt auf die „Lady in purple“. Es wird sie geben, das weiss ich jetzt. Die „Lady in green“ passt irgendwie auch zu Irland. Auf die Reise freue ich mich. Nachdem ich sie am Freitag gebucht hatte, war ich glücklich. Glücklich war ich am Freitag auch nach der ersten Klavierstunde seit vier Monaten. Und mit Sandra habe ich eine Gesangsstunde abgemacht – für nach den Frühlingsferien. Die erste seit fünf Monaten. Dann singen wir Lieder – schöne Lieder.

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