Storytelling_3: ein Hauch von Honig

Seither ist sie schon ein paarmal bei ihm gewesen. Und er ist schon ein paarmal in ihren Armen eingeschlafen. Sie bleibt dann immer.

Sie würde es nicht
übers Herz bringen,
sich einfach davonzumachen
– auch dann nicht,
wenn sie eigentlich
noch was anderes
vorhat.

Sie hat ihn gerne.
Er behandelt sie
respekt- & rücksichtsvoll.
Herzlich auch
– wenn er ihr die Tür‘ öffnet,
geht,
so hat sie jedes Mal das Gefühl,
die Sonne auf.

Seine Zähne strahlen so weiss,
sein Lachen kommt von innen,
ist echt,
berührt
und
steckt an.
„Wunderbar“,
denkt sie dann immer.
Und spürt die Sonne aus der Türkei.

Manchmal,
wenn der Abend lau ist,
sitzen sie zusammen draussen
auf seinem grossen Balkon,
der (fast) wie ein zusätzliches Zimmer ist,
schauen ins Grüne,
geniessen die Ruhe,
hören den zwitschernden Vögeln zu,
reden über dies & das,
essen Brot, Feta & Hummus
und
beobachten,
wenn er auftaucht & sich zu ihnen gesellt,
seinen Kater.

Sie liebt es,
wie er dessen Namen ausspricht.
Sie liebt
die Silben,
die abgekürzten „ü“,
die Zischlaute,
die Betonung.
„Silber“,
„Silber“ auf Türkisch.

Das Hummus, die Fetawürfel & das libanesische Fladenbrot
hatte sie mitgebracht,
doch sie fand die länglichen Weissbrote,
die er selber gebacken hatte,
noch feiner.
Einmal ass er Honig dazu.
Sie hatte nicht gesehen,
ob es türkischer Honig war.

Sie blieben auf dem Balkon,
bis es eindunkelte.
Sie liebt
die langen Tage,
die kurzen Nächte,
die Helle,
das Licht,
das Leben.
Sie ist
ein Kind des Südens.

Dann gingen sie hinein
und
setzten sich auf sein Sofa.
Sie berührten sich,
umarmten sich,
küssten sich.
Er sagte ihr,
dass sie schön sei.

„Du bist auch schön“,
erwiderte sie,
noch schöner.“
Sie lachten beide.
Dann zog er ihr
sorgfältig
die glänzenden Dessous,
türkisfarben,
aus.

Sie kauft gerne bei
Calzedonia,
Etam,
Intimissimi
und
Yamamay
ein.
Sie hat
eine ansehnliche Auswahl an Dessous
zu Hause
– in verschiedenen Farben.
Sie hat Stil,
äusserlich,
innerlich
und
bis auf die Haut.

Die drei Kleidungsstücke flogen
sanft
durch die Luft
und
landeten
auf dem Boden
oder
auf dem Bett.
Sie weiss es selbst nicht mehr.
Sie weiss nur noch,
dass sie tief
in seine schönen dunklen Augen
blickte.

Sie sah die Wärme darin,
sie sah die Stadt,
aus der er kommt,
sie sah die Aprikosenhaine,
von denen er ihr erzählt hatte,
gelb,
orange,
saftig,
süss,
sie sah seine Eltern vor sich,
die Mutter, die noch in eben der Stadt lebt,
den Vater, der schon verstorben ist.
Sie sah ihn auf Zypern
– ein Jahr Militär
musste er dort machen.
Sie sah seine Geschichte
in seinen schönen dunklen Augen.

Er kniete über ihr

sie glitt mit der Zunge
von seinem Bauchnabel an
abwärts.
Er nahm ihre Haare in die Hände,
mit einem festen Griff.
Sie mag das,
sie geniesst das,
es törnt sie auch an.

„Du machst das sehr gut“,
flüsterte er ihr zu.
Sie musste ein bisschen lächeln
– innerlich, nur für sich.
Sie wusste schon,
dass sie das gut macht(e);
trotzdem hört(e) sie es natürlich gerne.

Es war ja auch sein „Verdienst“.
Sein gutes Aussehen,
seine südländische Wärme,
sein respekt- & rücksichtsvoller Umgang
hatten die Göttin in ihr geweckt.
Dann kennt sie keine Barrieren mehr,
dann wird sie vollkommen frei,
dann wird so vieles möglich.

„Wohin möchtest du?“,
fragte er sie.
Sie antwortete ihm leise

und

fügte noch hinzu:
„Aber wir müssen aufpassen,
du bist jung!“

[…]

Sie wäre gerne
bis am folgenden Morgen
bei ihm geblieben.
Doch sie hatte nicht alles,
was sie brauchte,
dabei.
„Irgendwie schade“,
befand sie für sich.

„Nächstes Mal nehme ich die Sachen mit“,
sagte sie.
Sie sassen einander auf dem Sofa gegenüber
und
küssten sich.
Lange
und
intensiv.

Süsslich,
ganz leicht…,
ganz leicht süsslich.

„Der Honig…“,
kam ihr in den Sinn,
„der Honig“.

Ein Hauch von Honig…

– – –

Und noch ein Quäntchen Literaturtheorie
in vereinfachter Form:

Autor(in):
Person, die den Text geschrieben,
also die Wörter, Sätze & Abschnitte aneinandergereiht hat

Erzähler(in):
kann die gleiche Person sein,
ist aber oft eine andere vom Autor/von der Autorin (erfundene und) eingesetzte Instanz,
die aus ihrer Perspektive erzählt
&
evt. auch kommentiert

Figuren:
Personen im Erzählten,
die realen Personen entsprechen können
oder
frei erfunden sein können.

Natürlich sind auch Mischformen möglich.

-> Also:
immer aufpassen
mit vorschnellen Schlüssen oder gar Urteilen…!

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