Storytelling_7: Pikett-Dienst

Sie war gerade dabei, eine junge Familie durchs Haus zu führen, als sie ihn durch das Fenster ihres Schlafzimmers erblickte. Er war sportlich-weiss angezogen und joggte die öffentliche Treppe hinauf. Da er Kopfhörer trug, hörte er nicht, dass sie, nachdem sie das Fenster kurzerhand geöffnet und sich bei der jungen Familie entschuldigt hatte, seinen Namen rief.

Doch ein älterer Herr, der die Treppe hinunterkam, hörte sie rufen und sah sie am Fenster stehen. Er hielt den jungen joggenden Mann auf und gab ihm zu verstehen, dass er gerufen würde. Sie sah das und winkte dem älteren Herrn dankend zu. Dann schaute der junge Mann zu ihr und lachte ihr zu. Das strahlte nicht nur bis zu ihr, sondern durch sie hindurch, durch das Haus hindurch und noch weiter…

„Ich bin am Joggen“, rief er ihr zu.
„Das sehe ich“, dachte sie bei sich.
Er hatte ihr bei ihrem ersten Treffen an der „Nuit Arabique“ in Zürich schon erzählt, dass er regelmässig diese Treppe, die eben an ihrem Haus vorbeiführt, hinauf- und hinunterjoggen würde.

“Ich ruf‘ dich morgen an, dann können wir etwas abmachen“, rief er ihr weiter zu.
“Ja, passt“, entgegnete sie lachend, verabschiedete sich von ihm und schloss das Fenster.
Dann widmete sie sich wieder der Hausbesichtigung.

Irgendwie kam es am folgenden Tag, einem Sonntag, doch nicht zu einem Treffen zwischen ihm und ihr. Bei beiden kam was anderes dazwischen. Und beide störte das nicht.

Dafür kam er am folgenden Samstagabend zu ihr. Sie setzten sich aufs Sofa, er legte sein Portemonnaie auf den kleinen runden Holztisch. Dann zeigte er ihr Fotos von Algerien.

Sie schauten Fotos an,
sie redeten.
Über vieles…
Sie merkte, dass sie mit ihm, auch wenn sein Deutsch nicht perfekt ist, gut reden kann.

Er hatte Pikett.
Das heisst, er musste auf Abruf bereit sein.
Das war er so weit auch.

Sie kamen sich – wenig überraschend – näher.
„Lass uns nach oben in mein Zimmer gehen;
auf dem grossen Bett ist es gemütlicher als auf dem Sofa“, meinte sie.
Er sah das auch so und sie gingen zusammen hoch.

Er zog die dunklen Vorhänge zu,
sie warf sich aufs Bett.
Auf dem Rücken liegend schaute sie ihn an.
Es war das zweite Mal, dass sie seinen Körper sah – schlank, sportlich, attraktiv.

Er kniete über ihr und zog sie aus.
Die grüne Unterwäsche von „Etam“ flog auf den Boden.
Sein Mund biss an genau der richtigen Stelle zu.

Sie streckte die Arme weit von sich,
öffnete die Beine noch mehr,
hatte das Gefühl, in die Matratze hineinzufallen,
gab ein bisschen Gegendruck,
um seinen präzisen Biss im ganzen Körper zu spüren,
bis in den Kopf,
bis in die Fingerspitzen,
bis in die Zehenspitzen.

Sie atmete
lauter,
schneller
und
bewusster
als sonst,
er liess los,
biss nochmals zu,
liess wieder los…;
sie schrie,
aber nicht laut
– das tut sie nie –
sondern innerlich, für sich.

Sie war ganz bei sich
und gleichzeitig ganz bei ihm,
pardox, aber möglich,
paradox, aber wahr,
pardox, aber wunderschön
– ein Ausnahmezustand.

[…]

Er lag auf ihr,
in ihr,
sie hatte es zuerst nur verschwommen mitbekommen,
dann immer klarer;
sie hielt ihn fest,
schaute ihm in seine schönen Augen,
zog ihn zu sich hinunter,
drückte ihn fest auf sich.

„Du hast einen schönen Körper“,
flüsterte er ihr ins Ohr,
„du bist sexy.“
Sie lächelte für sich.
Sie wusste das eigentlich,
aber es von ihm zu hören,
war doch ein bisschen anders.

Sie sagte nichts,
fuhr mit ihren Händen durch seine Haare.
Schöne Haare,
so viele kleine Locken,
so dicht.
Sie mag das so…!

Sie lächelten einander an,
er wischte sich selbst und sie ein bisschen ab;
womit, weiss sie nicht mehr.

Dann ertönte sein Handy.
Pikett-Dienst.
Sie musste lachen.

Perfektes Timing. 😉

– –

Und noch ein Quäntchen Literaturtheorie
in vereinfachter Form:

Autor(in):
Person, die den Text geschrieben,
also die Wörter, Sätze & Abschnitte aneinandergereiht hat

Erzähler(in):
kann die gleiche Person sein,
ist aber oft eine andere vom Autor/von der Autorin (erfundene und) eingesetzte Instanz,
die aus ihrer Perspektive erzählt
&
evt. auch kommentiert

Figuren:
Personen im Erzählten,
die realen Personen entsprechen können
oder
frei erfunden sein können.

Natürlich sind auch Mischformen möglich.

-> Also:
immer aufpassen
mit vorschnellen Schlüssen oder gar Urteilen…!

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