Gestern war ein guter Tag:
Ich traf Karina und Rahel,
Yannik war bei uns
und
die Kinder dekorierten das Haus weihnachtlich
– mit diesem Kindern eigenen Eifer;
diesem Eifer, dem etwas Göttliches innewohnt,
dieser Hingabe, die ich ihnen für ihr ganzes Leben wünsche.
In dieser Zeit war ich am Üben meiner Songs;
Rahel stand plötzlich an der Tür,
fand, es töne gut,
und
dachte, wir hätten den Fernseher so laut eingeschaltet. 😀
Karina und ich haben uns für ein indisches Abendessen verabredet, als wir uns draussen bei der Einfahrt zur Tiefgarage begegneten.
Yannik war auch dort und meinte, er sei nicht sicher, ob er Lust habe, seiner Mutter die Grüsse von Karina und mir auszurichten. 😂
Das war am Nachmittag
– hab am Abend ganz vergessen, Rahel zu fragen, ob die Grüsse vielleicht doch angekommen seien, als sie vor der Türe stand, um zu fragen, ob Yannik noch bleiben könne.
Der war nämlich nach dem Abendessen zu uns gekommen und hatte sich schon auf dem Weg lautstark angekündigt.
„Ich chume jetzt grad wieder zu dir!“ hatte er Taieb, der das Geländer im ersten Obergeschoss am Dekorieren war, durch die Dunkelheit und das halbe Quartier zugerufen.
Das war so lustig!
Ich liebe solche Szenen aus dem Leben;
sie sind spontan, herzlich und farbig leuchtend,
sie sind echt, unverstellt und wundervoll.
Gefreut habe ich mich auch über den Kontakt mit drei Personen, von denen ich längere Zeit nichts mehr gehört hatte, sowie über den Austausch mit ihnen.
Ich bin mir vollkommen bewusst, dass auch andere ein schwieriges Jahr hinter sich haben;
bei mindestens zwei der drei Personen ist es so.
Ich bin mir zudem bewusst, dass dies oft der Grund ist, warum Menschen sich nicht (mehr) melden, und ich wäre ihnen nie und nimmer böse.
Ich habe mir erst recht vorgenommen, immer zuerst daran zu denken, anstatt zu vermuten, die anderen würden sich nicht (mehr) interessieren. Auch dann, wenn ich selbst in Eile oder gestresst bin. Wir könnten ja zusammen Silvester feiern und ein beschissenes Jahr verabschieden.
Wobei:
Es war gar nicht so beschissen.
Es war eine grosse Herausforderung,
die ich gemeistert habe
und
die mich noch stärker
und
auch ein wenig stolz gemacht hat,
gewappnet
und
gelassen.
Noch mehr wohl, wenn die ganzen – diesmal wirklich beschissenen (!) – Nach- und Nebenwirkungen von zu viel Kortison vorüber sind.
Die Haut hat sich schnell erholt,
die aufgerissenen Hautstellen sind schnell verheilt.
Haare gehen immer noch ziemlich viele aus,
aber weniger als zuvor,
und da ich das Glück habe,
dass auch viele nachwachsen,
sieht man nach wie vor nichts davon.
Was mir am meisten Sorgen bereitet,
ist die Tatsache,
dass mein Schlafrhythmus total durcheinander gekommen ist.
Ja, viele Menschen,
die sich nicht (mehr) melden,
haben oft selbst Sorgen.
Dessen sollten wir uns immer bewusst sein.
Und dann gibt es diejenigen,
die sich tatsächlich nicht mehr melden,
weil sie davon ausgehen,
man mache bezahlten Urlaub,
man könnte schon, wenn man denn wollte,
so schlimm könne das Ganze ja nicht sein.
Auch dieser Problemkreis
wird
in Berichten über chronische Krankheiten
behandelt;
auch bei diesem Problemkreis
kann ich zum Glück sagen,
dass ich diese Erfahrungen schon auch habe machen müssen,
aber nicht so oft und nicht so einschneidend,
wie andere Betroffene ihre Erfahrungen beschreiben.
Klar
– es gibt sie,
die Leute,
die überhaupt nicht kapiert haben
und
vielleicht ja gar nicht kapieren können oder wollen,
was ich habe,
was das bedeutet
und
was es alles nach sich zieht.
Eben:
Folgen von Folgen von Folgen
und es hört nie auf mit den Folgen.
Klar
– es gibt sie,
die Leute,
die sich weder informieren noch interessieren
und
sich ein völlig falsches Bild machen.
Klar
– es gibt sie,
die Leute,
deren Horizont dort aufhört,
wo ihre Augen nicht sehen können, was ist,
oder
die meinen, soziale Netzwerke würden die Realität abbilden.
Ja
– es gibt sie,
die Leute,
die mich verletzt haben.
Ich wünsche ihnen nicht,
mit einer schweren und systemischen Autoimmunerkrankung umgehen zu müssen;
ich wünsche ihnen auch sonst nichts Böses.
Ich kann sie aber nicht mehr ernst nehmen
und
ich bezweifle,
dass sie auch nur einen Monat lang mit mir tauschen wollten,
wenn sie kapiert hätten.
Ich bezweifle, dass sie eine Ahnung haben, was im letzten Dezember und Januar mit mir war…
… und dann dieser Samstag Ende Januar:
am Morgen noch im Schulzimmer,
am Nachmittag im Spital.
„Someone had to pull the trigger,
blame it on the chain of command.“