Storytelling_2: in ihren Armen

„Nächstes Mal“,
flüsterte sie zurück,
„nächstes Mal komme ich zu dir.“

Sie hatte den Eindruck, dass er ihr nicht so richtig glaubte; er kannte sie ja noch kaum.
Er konnte nicht wissen, dass sie so gut wie nie einfach so daherschwätzt, sondern prinzipiell meint, was sie sagt. Und macht, was sie sagt.

An jenem Freitagabend im April
liess sie
– für einmal (!) –
Vernunft walten.
Die Ratio.
Vernunft über Gefühle,
Vernunft über den Reiz,
Vernunft über die Aufregung.

Das war auch gut für sie
– zu viele Male
waren
ihre Fähigkeit & ihre Bereitschaft,
nach den Gefühlen zu handeln & zu leben,
ausgereizt & ausgenutzt worden.
Zu viele Male
hatte sie
ihre eigenen Grenzen
nicht kommuniziert
&
schon gar nicht durchgesetzt.
Zu viele Male
war
ihre fast schon grenzenlose Offenheit
missverstanden & missbraucht worden.

Nicht, dass er das auch getan hätte.
Nein – das dachte sie nicht,
das befürchtete sie nicht.
Sein herzlicher Gesichtsausdruck,
dieses Strahlen, als ob die Sonne aufginge,
hatten sie von Anfang an tief berührt,

tief,

an einem Ort,
den sie selbst noch nicht gekannt hatte.

Sie erklärte ihm, warum es für sie wichtig war,
ausgeschlafen & fit in den kommenden Samstag zu starten. Und sie hoffte, dass es bei ihm ankäme. Sie wollte ihn nicht verletzen
– auf keinen Fall.

Sie küssten sich nochmals innig,
bevor er ausstieg & sie nach Hause fuhr.
Sie war wie in Trance.
37
– sie musste auch ein bisschen lachen
und
fühlte sich gleichzeitig geehrt.

Am folgenden Morgen,
als sie erwachte,
war ihr erster Gedanke er.
Ihr allererster Gedanke: er.
Sie realisierte es
und
war so, so dankbar.

Mehr oder weniger den ganzen sonnigen Samstag
war sie voll beschäftigt.
Es lief wie am Schnürchen, wie von allein.
Sie fühlte sich
beschwingt & leicht,
hell & froh.

Am Sonntagmorgen schrieb sie ihm.
Er hatte ihr gesagt,
dass er auf Deutsch nicht so gut schreiben könne,
und sie war diejenige gewesen,
die die gemeinsame Übernachtung ausgeschlagen hatte;
also wusste sie,
dass sie den Schritt machen „musste“.
Er schrieb sofort zurück.

Und am Abend nach dem Basketballspiel
im Schulhaus Neuhegi
fuhr sie dann zu ihm.
Sie setzten sich zusammen auf das Sofa;
sein Kater, eine britische Kurzhaarkatze,
tauchte später auch noch auf.
Der Kater heisst „Silber“,
also „Silber“ auf Türkisch. 😀

Er machte ihr einen Tee
und
stellte Nüsse auf den Tisch.
Sie redeten miteinander.
Über allerlei.

Zwischendurch bereute sie es, kein Türkisch gelernt zu haben. Ja, das wäre jetzt nicht nur nützlich, sondern auch sehr schön gewesen… Doch die Kommunikation funktionierte auch so ganz gut.

Die seelische Verbindung half dabei.

Und da war natürlich „nicht nur“
die seelische Verbindung,
da war auch
die körperliche Anziehung.
Auch sie war stark
– von beiden her.
Das war
seit jenem ersten Blick im Bolero
klar gewesen.

Sie spürte, dass er sie begehrte.
Und sie begehrte ihn ebenfalls.
Er gefiel ihr sehr.

Sie berührten sich,
umarmten sich,
küssten sich.
Sie lag auf dem Sofa,
er löschte das Licht.
Von draussen kam noch natürliches Licht hinein,
er sah ihren Körper zum ersten Mal.

„Du hast einen schönen Körper“,
sagte er leise.
Das hörte sie,
obschon er nicht der erste
und auch nicht der zweite war,
der das sagte,
natürlich gerne.
Das Kompliment war ja schon besonders wertvoll,
es kam von einem 37-jährigen.

„Du bist sexy“,
fuhr er fort.
„Du auch“,
erwiderte sie.
Leise, ganz leise.

Es gab kein Zurück mehr
– das war klar.
Sie war entspannt & gelöst,
sie fühlte sich wohl mit ihm.
Er verhielt sich rücksichtsvoll,
was ihre Lust auf ihn noch mehr antrieb.

Sie genoss es,
sie war zu vielem bereit.
Sie gab sich hin
und
gab vieles.
Hemmungslos & wundervoll.

Die Wärme von südländischen Männern
weckt vieles in ihr.
Deren
Attraktivität,
Gesichtszüge,
Ausstrahlung
wecken ihre eigene südländische Seele.
Den Teil in ihr,
den nur sie kennen,
den nur sie erfahren,
der nur ihnen gehört.

Dann erwacht ihre Leidenschaft,
dann brennt ihr Feuer.
Dann ist sie woanders.
Dann wird sie zu
Aphrodite.

Liegend auf dem Sofa,
sitzend auf dem Küchentisch,
stehend auf dem Teppich.

Es war aufregend,
es war wild,
es war heiss.

Sie schloss die Augen,
liess letzte Fesseln los,
sah neue Wege,
atmete neue Dimensionen,
spürte wahre Freiheit.

[…]

Er trocknete sie ab,
legte sich neben sie,
zog die Decke etwas hoch,
atmete ruhig

und

schlief in ihren Armen ein.

Sie fuhr mit der rechten Hand über
seinen tätowierten rechten Unterarm,
seine schönen dunklen Haare,
seine schön geformte Nase,

sanft,

sie wollte ihn nicht wecken.

Er musste am folgenden Morgen sehr früh raus,
sie hatte noch Ferien.
Ihr wurde wieder einmal bewusst,
wie privilegiert sie ist.
(Obschon ihr das eigentlich fast immer bewusst ist…)

Sie strich ihm über
die Stirn,
schloss die Augen wieder,
gab ihm einen Kuss auf seine rechte Wange
und
war hellwach,
währenddem er in ihren Armen schlief.

– – –

Und noch ein Quäntchen Literaturtheorie
in vereinfachter Form:

Autor(in):
Person, die den Text geschrieben,
also die Wörter, Sätze & Abschnitte aneinandergereiht hat

Erzähler(in):
kann die gleiche Person sein,
ist aber oft eine andere vom Autor/von der Autorin (erfundene und) eingesetzte Instanz,
die aus ihrer Perspektive erzählt
&
evt. auch kommentiert

Figuren:
Personen im Erzählten,
die realen Personen entsprechen können
oder
frei erfunden sein können.

Natürlich sind auch Mischformen möglich.

-> Also:
immer aufpassen
mit vorschnellen Schlüssen oder gar Urteilen…!

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