Das indische Abendessen mit Karina „muss“ ich verschieben.
Wir hatten auf den 8. Dezember abgemacht, aber nachdem drei Personen mir mitgeteilt hatten, wie brilliant Elton John gestern Abend in Wien gesungen und gespielt habe, konnte ich nicht länger widerstehen und kaufte zwei Karten.
Jetzt freue ich mich sehr auf seinen Auftritt im Zürcher Hallenstadion.
Dass ich Paul Simon verpasst habe, ärgert mich schon noch ein bisschen.
Ich hoffe, dass eine andere Gelegenheit sich bald bietet, ihn zu sehen und vor allem zu hören.
Ende Juli 2004 war ich am Konzert von Simon & Garfunkel in Basel. 😊
Die drei Phänomene der Popmusik
haben ein Alter, in dem
jede Tournée die letzte,
jedes Konzert das letzte
sein könnte.
Mit diesem Gefühl gehe ich auch immer hin.
Es ist ein Gefühl, das
einerseits bedrückt,
andererseits sämtliche Sinne (noch mehr) öffnet
und
(noch) empfänglicher macht für
virtuoses Klavier- oder Gitarrenspiel,
volle Töne in der Bruststimme
und
reine, klare Töne in der Kopfstimme,
bewegende oder erheiternde Texte,
Licht- und Videoeffekte,
bebende Bühnen
und
verbindende Stimmungen.
Die Bruststimme habe ich heute Nachmittag mit Sandra auch trainiert. Wir haben „Falling Rain“ in Angriff genommen; jetzt weiss ich, wie ich es üben muss, damit es gut tönt. Das motiviert immer besonders und ich freue mich bereits auf die nächste Stunde am 12. Dezember.
Am 20. Dezember gehen wir zusammen essen.
Ich werde sie einladen
– als kleiner Dank, dass sie mir nie das Gefühl gegeben hat, mühsam zu sein, wenn ich Termine verschieben musste, und immer verständnisvoll reagiert hat.
Das bedeutet mir viel.
Meistens
wenn ich Termine verschieben muss,
ist es ja nicht so,
dass ich spontan Konzertkarten gekauft habe 😀
sondern
dass ich dringend zur Hausärztin oder einem Facharzt gehen muss,
dass Organe entzündet sind und darum nicht richtig funktionieren
oder
dass ich so müde bin,
dass alles, wirklich alles, anstrengend ist.
Auch als kleiner Dank dafür, dass wir sowohl vor wie auch nach der eigentlichen Gesangsstunde immer noch zusammen Tee trinken und reden, dass sie sich diese Zeit nimmt und sogar der Unterricht an sich meistens länger als eine Stunde dauert.
Bei ihr
habe ich
von Anfang an
vieles
gelernt:
In der allerersten Stunde erklärte sie mir,
dass sie gleich gewusst habe,
dass ich eine eher tiefere Frauenstimme hätte.
Gross und schlank,
langer Hals
– also auch längere Stimmbänder,
die eben besser für tiefere Töne sind.
Das war für mich wichtig und befreiend zugleich.
Keiner der vorherigen Gesangslehrer
hatte mir das erklärt
und
ich wusste nie,
warum ich nicht so hoch hinaufkam.
Mit Sandra habe ich gelernt, wie ich auch höhere Töne erreichen kann, und die ganz hohen brauche ich sowieso nicht. Und vor allem ist sie jeweils begeistert, dass ich in den tieferen Lagen immer noch Klang in den Tönen habe. Das ist nämlich gar nicht selbstverständlich.
Ja, ich vergesse nie mehr, wie diese Erklärung auf Anhieb ein Problem löste, von dem sie ja nicht einmal etwas gewusst hatte.
Von dem Zeitpunkt an konnte ich problemlos akzeptieren, dass ich ganz hohe Töne nie würde singen können.
Der Grund liegt in meiner Konstitution, meinem Körper.
Da ich zu meinem Körper ein gutes Verhältnis habe, war für mich von dem Zeitpunkt an bezüglich hoher Töne alles in Ordnung.
Ja, ich habe ein gutes Verhältnis zu meinem Körper.
Immer noch
– trotz Autoimmunerkrankung.
Und das wird auch so bleiben.
Gründe dafür
gibt es wohl
zahlreiche
wie
vielfältige:
Tai Ji,
das ich zehn Jahre lang ausübte
und
wodurch
ich meinen Körper intensiv kennenlernte.
Gute Gene
für die Figur,
für die Fingernägel
und
für die Haare.
Zwei komplikationslose Schwangerschaften,
zwei spontane Geburten,
zweimal eine Rückbildung,
deren Tempo
selbst erfahrene Hebammen und Gynäkologinnen
in Erstaunen versetzte.
Und so weiter…
Für das alles bin ich sowieso dankbar;
seit dem Ausbruch der Krankheit
bzw.
seit der Diagnose
noch viel tiefer.
Die Diagnose hat das gute Verhältnis zu meinem Körper also nicht zu erschüttern vermocht. Obschon ich ja gestern zu erläutern versuchte, warum der Unterschied zwischen Allergien und Autoimmunerkrankungen auch auf der psychologischen Ebene ein grosser ist:
Wenn der Körper an sich harmlose Stoffe aus Nahrungsmitteln oder der Umwelt fälschlicherweise als fremd erkennt und demzufolge bekämpft, ist die psychologische Komponente (verschwindend) klein.
Der Feind ist etwas von aussen Kommendes
– eigentlich ganz „normal“, wie meistens.
Es bringt einen wohl kaum psychisch durcheinander, dass man Tomaten oder Sellerie nicht essen darf oder dass die Nasenschleimhaut auf Chlor reagiert und anschwillt.
Letzteres hatte ich als Kind und Jugendliche selbst.
Unangenehm, aber nicht erschütternd.
Wenn der Körper aber in körpereigenen Strukturen einen Feind sieht und gegen sich selbst vorgeht, ist die psychologische Komponente nicht zu unterschätzen. Sie kann Betroffene (noch ganz) aus der Bahn werfen:
Vermeiden funktioniert nicht,
verzichten funktioniert nicht,
ein paar Wochen ausharren funktioniert nicht. Angreifer und Angegriffene sind beide in meinem Körper, sind mein Körper.
Die Autoimmunschlachten
finden ungesehen statt.
Meistens.
Und unbemerkt
– ausser von den Betroffenen.
Das Blut,
das dabei fliesst,
gehört dem Körper,
der die Schlacht begonnen hat.
Er geht gegen sich selbst vor.
Er richtet sich selbst zugrunde.
Nicht ganz ohne…
Die kältere Jahreszeit fordert mich jeweils zusätzlich,
weil ich durch die Immunregulierung anfälliger für Infekte bin
und
weil das Risiko,
dass die Hautprobleme wieder ausgelöst werden,
erhöht ist.
Kälte und Trockenheit können sogenannte Trigger (Auslöser) sein.
Wenn die Lippen (wie jetzt) Risse bekommen, werde ich aufmerksam.
Sie können durch die trockene Luft bedingt sein,
sie können durch Medikamente verursacht oder verstärkt werden
– sie können durch verschiedene Faktoren hervorgerufen worden sein.
In jedem Fall sind sie aber ein Zeichen,
dass die Haut auf etwas reagiert.
Darum ist während der kälteren Jahreszeit jeweils besondere Aufmerksamkeit geboten.
Es muss ja nicht wieder so schlimm werden
wie in jenem September,
als mein Dermatologe,
der damals schon über das Pensionsalter hinaus (!) war,
meinte,
er habe in seiner ganzen Tätigkeit nicht oft einen so heftigen Ausbruch gesehen.
Das Beitragsbild
habe ich
in Passchendaele
aufgenommen
– an einem goldenen Herbsttag vor genau zwei Wochen.
An trüben Tagen wie heute habe ich solche Bilder besonders gerne.
Von dem Schrecken,
der sich im Oktober 1917 dort zutrug,
machen wir uns kein Bild.
Das Blut,
das floss,
floss für nichts.
Wie in jedem Krieg:
für nichts.