Schokolade

Auf dem Beitragsbild könnt ihr den Kuchen, den T. und ich gestern buken/backten (wählt selber aus, beides geht… ), sehen. Den Herd konnte ich vor dem Fotografieren nicht mehr putzen, da T. bereits um 17.30 Uhr für das Schminken & letzte Vorbereitungen im Schulhaus sein und den Kuchen mitbringen musste. Also machte ich noch schnell dieses Foto. Eigentlich finde ich es gerade gut so: Die Bilder sollen den Alltag „ungeschminkt“ zeigen – keine künstlichen Scheinwelten. Passt wohl auch besser zu meinen Texten. . .

Wie gestern schon erwähnt, habe ich jetzt eine Brille zu Hause. Die nächste Augenentzündung kann also kommen. Nein, Spass beiseite. Ich hoffe es natürlich nicht. Sonst bekämen die Leute, die meinen, selbst bei organischen Krankheiten sei „alles“ psychisch und im Kopf, fast noch ein wenig recht. . .
Den Umgang mit solchen oder ähnlichen Aussagen bzw. mit so oder ähnlich „denkenden“ Leuten werde ich ab und zu thematisieren.

Zum Beispiel das einmal erwähnte „Du solltest weniger Schokolade essen.“
Danke für den Tip, aber leider am Ziel vorbei: Meine Gene interessieren sich nämlich nicht für meinen Schokoladekonsum noch ändert sich dadurch etwas an der Tatsache, dass in der zweiten Schwangerschaft die Krankheit ausgelöst wurde. Zu dick bin ich schon gar nicht, meine Zähne sind einwandfrei und mein Blutzuckerspiegel ist immer in Ordnung. Bei den zahlreichen Blutkontrollen, die ich habe, sicher kein Zufallswert.
Darum: Danke für den Tip, er ist ungefähr so schlau wie „Du hättest halt etwas anderes studieren sollen.“ oder „Vielleicht hat der Name der Strasse, an der du wohnst, etwas mit deiner Gesundheit zu tun.“

Diese zwei Aussagen habe ich übrigens nie gehört; sie dienen lediglich der Illustration des Werts, den der Schokolade-Tip hat. Den erhielt ich tatsächlich einmal. Der Kollege meinte es wohl gut. Aber mir ging es schlecht und wenn ich mit solchem Unwissen konfrontiert wurde, fühlte ich mich verloren & ohnmächtig.
Er war wohl auch nicht der einzige, der meinte, meine damaligen Hautprobleme seien auf meine Vorliebe für Süsses zurückzuführen.
Leute, die mich nur von der Pause her kannten; Leute, die nicht wussten, dass ich auch Gemüse und Salat über alles liebe & in grossen Mengen verzehre; Leute, die offenbar noch nie etwas von Autoimmunerkrankungen gehört haben.
Das macht an sich nichts; ich wüsste ja auch nicht so viel, wenn ich nicht selbst betroffen wäre. Trotzdem: Vorschnelle & unüberlegte Aussagen können einen ohnmächtig & verloren zurücklassen.

Oder der gestern angedeutete Vergleich mit Allergien.
Das war eine Kollegin, die es weder gut noch böse meinte, die aber meint, immer alles zu wissen, und sich nicht in andere Menschen einfühlen kann. Sie habe auch Erfahrung mit Allergien. Der Tonfall & die Art, wie sie reagierte, verrieten, dass sie die Behandlung mit Kortisonspray der Behandlung, die ich damals hatte, gleichsetzte.

Auch Erfahrung mit Allergien?!
Ich habe aber keine Allergie, ich habe eine Autoimmunerkrankung.
Eine systemische – also eine, die das ganze System betreffen kann. Das ist „heavy“ – man kann es sich ja mal so ganz kurz vorzustellen versuchen.
Bei vielen dieser Erkrankungen ist das Risiko, auch eine oder sogar mehrere andere zu entwickeln, deutlich erhöht. Sie treten oft gemeinsam auf – als die „unlucky couples“ oder die „unlucky triples“ oder . . .

Auch Erfahrung mit Allergien?!
Warum „auch“?
Ich habe nämlich keine. Ich habe Erfahrung mit Autoimmunerkrankungen. Viel Erfahrung sogar. Zu viel.
Der Unterschied liegt im Auto. Ja, im Auto.

„Auto“ ist Griechisch und bedeutet „selbst“. Das Immunsystem meint, körpereigene Strukturen, Eiweisse, seien fremd, und bekämpft sie demzufolge. Bei einer Allergie hingegen kommt das Allergen von aussen, ist etwas in der Umwelt.
Wenn das Allergen bekannt ist – und das ist meistens der Fall – kann man es vermeiden. Das ist nicht immer einfach. Wenn es schwierig ist, das Allergen zu vermeiden, oder wenn es gar nicht bekannt ist, kann die Lage gefährlich werden. Dies steht ausser Frage. Aber meistens ist es bekannt: Auf Erdbeeren kann man verzichten. Auf Nüsse auch. Gräser blühen für ein paar Wochen. Ausserdem gibt es Mittel, um die Symptome zu lindern.

Mein Gewebe kann ich nicht loswerden. Die körpereigenen Strukturen kann ich weder ändern noch links liegen lassen. Meine Eiweisse kann ich nicht wegschicken. Sie sind, wie sie sind, und sie bleiben, wie sie sind. Sie gehen nicht weg, sie verändern sich nicht nach ein paar Wochen, sie verschwinden nicht von selbst wieder. Sie verschwinden überhaupt nicht. Keine Chance. Das ist der grosse physiologische Unterschied.

Der grosse psychologische Unterschied liegt ebenfalls darin. Mein Immunsystem bekämpft mein Gewebe, meine Organe, meine Zellen. Es hindert meine eigenen Organe am richtigen Funktionieren. Mein Körper bekämpft sich selbst. Die Option zu vermeiden & zu verzichten habe ich nicht, oder sie würde – in letzter Konsequenz – im Selbstmord enden.

Das ist aber keine Option: Ich liebe das Leben. Also habe ich keine Option, wirklich keine, als anzunehmen, was ist, damit umzugehen & so glücklich wie möglich damit zu leben. Ich glaube, dass ich darin ganz gut bin. Vielleicht sogar richtig gut. So gut, dass wohl ein paar Leute in Versuchung kamen zu denken, ich nähme dieses Jahr frei, um an möglichst viele Konzerte gehen zu können. Es war aber umgekehrt: Ich ging an Konzerte, um frei zu sein, um zu vergessen, um zu leben.

Das Unrecht & die Verletzung sind so gross, dass ich darüber schreiben muss. Ich kann es nicht in mir lassen, auch wenn ich glaube, dass viele Menschen spüren oder von früher her wissen, wie ich wirklich bin.
Wer es nicht merkt & nicht spürt, will wohl nicht. Oder kann nicht. Aber es gibt eine Grenze für Unvermögen, wo es nicht mehr verzeihbar ist. Diese wäre für mich in dem Fall erreicht. So viel Dummheit kann & will ich nicht verzeihen. Aber loswerden. . .

Jetzt kommt mir etwas Lustiges in den Sinn:
T. hat sich heute Nachmittag in der Schule gelangweilt. Nur für ein paar Minuten, zum Glück. Sie mussten fünf Minuten lang ein Blatt Papier anschauen, sich so viele Wörter wie möglich merken & diese danach aufschreiben. Die fünf Minuten waren ihm zu lange & er fragte seine selbstgebastelte Fledermaus, ob sie das nicht auch langweilig finde. Was diese dazu meinte, entzieht sich meiner Kenntnis. Doch mir tat der Lehrer leid, obschon T. versicherte, ihn nicht geärgert zu haben. Die Wörter wusste er alle noch & schrieb sie korrekt in sein Heft. Zu Hause, beim „Zvieri“ mit Yannik, sagte er zu mir: „Also foif Minute es Blatt aluege, isch eifach langwiilig. Wie foif Minute dich aluege, isch au langwiilig.“

Über das Kompliment war ich natürlich hocherfreut. Das muss er mir angesehen haben, sodass er ergänzte: „Wie foif Minute das Schoggimuffin aluege, isch au langwiilig.“

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