Das gestrige & das heutige Beitragsbild habe ich in München aufgenommen: im Hotel, wo Naila & ich schon im Juni sowie über das letzte verlängerte Wochenende je dreimal übernachteten.
Wir freuen uns bereits auf nächstes Mal – spätestens über die Auffahrtstage (Himmelfahrt) im nächsten Mai.
Naila freut sich schon wieder auf Chiara & auf das Spielen mit ihr.
Mit Taieb werde ich wieder nach Belgien reisen. Er freut sich auf Sushi, die Katze.
Die Reisen mit einem Kind geniesse ich immer besonders,
sie schweissen mehr zusammen
&
die Beziehung ist intensiver,
als wenn Nebengeräusche wie Eifersucht oder Rebellion Ruhe & Erholung beeinträchtigen.
Taieb möchte im nächsten April unbedingt mit nach Irland, um herauszufinden, ob es die Trolls tatsächlich gibt. Auch nach England möchte er mit, weil er dort so gerne zum „Pizza Hut“ geht & eine Pizza, deren Rand mit Käse gefüllt ist, bestellt. Cheesy crust, deep filled – oder so. 😀
Wir werden sehen & haben ja noch Zeit zum Planen.
Ich reise gerne & hoffe natürlich jedes Mal, dass ich keine grösseren gesundheitlichen Probleme habe.
Bis jetzt habe ich eigentlich Glück gehabt
– ausser in den zweiwöchigen Sprachaufenthalten in Oxford, die ich viermal jeweils im Oktober begleitete:
2011 ging es mir ganz gut,
2012, 2013 & 2014 aber nicht.
Gesagt habe ich nichts, gesehen hat man auch nichts.
2012 waren die Entzündungen der betroffenen Organe sehr schmerzhaft; die Haut reagierte an manchen Stellen auch & brannte so, dass ich es kaum aushielt.
Ich erinnere mich,
dass ich mich manchmal irgendwohin zurückzog,
weil ich nicht mehr weiter wusste & es nicht mehr aushielt.
Ich nahm Schmerzmittel, die aber viel zu schwach waren & nichts nützten.
Dass ich sie gar nicht nehmen sollte, wusste ich damals noch nicht.
Ich erinnere mich,
dass ich mich in einem Geschäft
– ich weiss auch noch genau, welches & wo –
einmal hinter dicken Pfeilern „versteckte“,
weil ich nicht sicher war, was mit mir passieren würde, ob ich es aushalten oder ohnmächtig werden würde & wie es überhaupt weitergehen würde.
Die Kälte, die in England oft auch in den Gebäuden drinnen herrscht, machte alles noch schlimmer. Ich hatte das Gefühl, nie zur Ruhe zu kommen, nirgends hingehen zu können, wo ich mich entspannen könnte, wo es wenigstens warm wäre;
ein Gefühl, wie getrieben zu sein,
ein Gefühl, kein Zuhause zu haben.
Manchmal liessen die Schmerzen & das Brennen etwas nach; dann ging es mir zwar immer noch nicht gut, aber es war erträglich.
Meistens aber war es unerträglich; ich war in fast stetiger Anspannung & Angst, dass die Grenze, wo ich mich nicht mehr kontrollieren & nichts mehr überspielen kann, jeden Moment erreicht sei. Sie wurde dann nie ganz erreicht, sodass niemand merkte, dass ich durch die Hölle gegangen war
– wie eine brennende Hölle,
so kam es mir vor.
Was dann zu Hause folgte, war eine vergleichsweise kurze, aber starke Kortisonbehandlung, die ziemlich schnell, gut & vor allem nachhaltig wirkte.
„Das muss die Hölle sein.“, meinte gestern auch der Anwalt, von dem ich mich beraten liess. Es ging um die Krankschreibung. Der Satz zeigte Einfühlungsvermögen.
Herr Kurmann wollte
(konnte? – möglich, aber so oder so unbegreiflich)
nicht einsehen, dass es nicht ganz lustig ist, vor 20 Jugendlichen zu stehen & nicht zu wissen, ob man vielleicht gleich vor Schmerzen oder Müdigkeit das Bewusstsein verliert.
Dass es nicht ganz lustig ist, vor 20 Jugendlichen zu stehen & nicht zu wissen, ob gleich innere Blutungen auftreten & sich einen Weg nach aussen suchen.
Nicht zu wissen, ob eines der betroffenen Organe gleich in Streik tritt.
Nicht zu wissen, ob man die Krämpfe aushält oder das Zimmer fluchtartig verlassen muss.
Wobei ich es nie fluchtartig verliess; auch das war ein Spiel, ein Schauspiel.
Ich habe zwei Kinder geboren: spontan, vaginal & ohne jegliche Schmerzmittel, weil es beide Male schon zu spät gewesen war & sowieso keine Linderung mehr gebracht hätte.
Ja: Knapp dran war ich auch früher schon. 😉
Das hat damit zu tun, dass ich die Zeit immer voll ausschöpfen möchte. Knapp war ich immer schon, aber zu spät kaum je.
Knapp dann eben auch bei den Geburten,
für die ich so unendlich dankbar bin.
Nicht stolz – das war keine Leistung.
Es war Glück,
ein Geschenk,
ein Segen.
Darum empfinde ich Dankbarkeit.
Ohne jegliche Schmerzmittel, vaginal & spontan: Das hat mich stark gemacht. Das habe ich gebraucht. Für das, was nachher kam. Für das, was durch die zweite Schwangerschaft ausgelöst wurde. Für den Kampf gegen den Wolf.
„Das muss die Hölle sein.“, meinte er & kam mir so eigentlich zu Hilfe. Ich wollte es gar nicht so extrem ausdrücken, sondern ihm nur kurz schildern, wie die behandelnden Ärzte & Ärztinnen sowie ich es mit der Berufsausübung sehen & wie Herr Kurmann darauf reagierte: nämlich gar nicht; bei ihm kam nichts an, durfte nichts ankommen. Dafür kam bei dem Anwalt, der mich zum ersten & wahrscheinlich letzten Mal sah, etwas an.
Schon verrückt: Da sitzt man drei Stunden einem „Vertrauensarzt“ gegenüber & nichts kommt an; dann sitzt man nicht ganz eineinhalb Stunden einem Anwalt gegenüber, an den man sicher nicht die Erwartung hat, dass er sich mit chronischen Erkrankungen & den zahlreichen Folgen davon auskennt, und muss gar nicht lange nach verständlichen Erklärungen suchen; er ergänzt den angefangenen Satz gleich selbst & trifft ins Schwarze: Ja, es war die Hölle.
Solche Begegnungen tun immer sehr gut. Sie geben mir Leichtigkeit & eine gewisse Sorglosigkeit zurück. Sie tun gut, weil ich doch immer wieder die Erfahrung mache, dass es immer wieder Menschen gibt, die nachdenken, überlegen, mitfühlen. Die offen sind & deren Horizont nicht dort endet, wo ihre Augen nichts mehr sehen.
–
Stimmt,
ich habe in meinen Texten so quasi die „Guten“ & die „Bösen“.
Dessen bin ich mir bewusst.
Und werde es auch nicht ändern.
Die „Guten“ haben wohl auch ihre dunklen Seiten, die „Bösen“ vielleicht auch ihre hellen.
Die „Guten“ & die „Bösen“ sind aus der Literatur nicht wegzudenken.
Und wenn wir uns selbst gegenüber ehrlich sind, auch aus unseren Leben nicht.
Ich möchte mir selbst gegenüber treu bleiben & den anderen gegenüber ehrlich sein.
Das kann ich aber „nur“, wenn ich Farbe bekenne.
Weshalb sollte ich mir etwas anderes einreden, etwas vormachen & die anderen damit auch belügen?
Nein.
Für mich ist klar, dass ein Mensch viele & ganz verschiedene Seiten haben kann.
Aber das schliesst nicht aus, die Seiten, die ich vor allem spüre, sehe & mitbekomme, zu benennen.
Wenn es einem richtig schlecht geht, bekommen die Rollen der „Guten“ & „Bösen“ einen noch viel klareren & deutlicheren Stellenwert: Man weiss, dank wem man noch am Leben ist & welche Menschen einem in einem schwierigen Jahr geholfen haben.
Und da fängt für mich die grosse Vielfalt & der grosse Facettenreichtum menschlichen Daseins an: Die Menschen, die zu mir standen, taten das auf ganz, ganz unterschiedliche Weise. In jeder Weise wohnt ein Zauber, jede ist für sich & in sich wunderbar.
In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch vergangener Woche, also nachdem ich zum ersten Mal überhaupt in einer Praxis zu weinen anfing und, obschon ich keinen Termin hatte, die Praxisangestellte wie meine Hausärztin sich Zeit nahmen, sodass ich am Ende sogar wieder lachen konnte, hatte ich einen Traum, in dem immer & immer wieder eine Zeile aus einem von Chris‘ neuen Liedern erklang.
Am Morgen konnte ich mich erinnern, dass diese Zeile durch den ganzen Traum hindurch erklang, aber der Wortlaut war entschwunden.
Also ging ich die Lieder, die in Frage kamen, durch.
Und da war sie wieder:
„And all the years just fell away with her tears.“