Entkommen

Auf dem letzten Beitragsbild sind zwei kleine, hübsche Geschenke zu sehen, die ich nach dem Unfall bekommen habe.
Danke!
Auch denjenigen, die mir geschrieben haben, für die guten Wünsche & lieben Worte.
Sie haben dieses Mal besonders gutgetan.
Auf diesem Beitragsbild ist der Inhalt des Pakets, das ich von Tanja bekommen habe, zu sehen.

Taieb entdeckte es am Dienstagnachmittag im Briefkasten & brachte es freudig ins Haus. Da stehe „Tanja“ drauf & er wolle es gleich aufmachen, meinte er. Dass sein Name nirgends stand, hielt ihn nicht davon ab, das Paket – oder ist das ein Brief…, wie war das schon wieder? 😉 – tatsächlich zu öffnen & sich über die Mandelhörnchen zu freuen.

Diese musste ich gleich verstecken,
denn Naila hatte sie ja letztes Mal ebenfalls so gerne gehabt…

Jedes Mal, wenn ich aus Tanjas Teeglas,
das sie mir Ende Oktober schenkte,
einen Adventstee trinke,
denke ich an den schönen Morgen mit ihr in Zürich zurück.

Die Karte zeigt einen Sonnenuntergang über dem Kanal von Malta.
Ich habe sie auf die Kommode in unserem Schlafzimmer gestellt.
Jedes Mal, wenn ich sie anschaue,
erinnere ich mich an den Abend & das Konzert vom 26. Februar:
ein Wegweiser in meinem Leben & in einem schwierigen Jahr ein Lichtblick,
so hell & glänzend wie die innerste Mitte der Sonne auf der Karte
– die Perle aller Perlen von 2016.

„I’m huddled in this French café;
I never thought I’d see the day…“

Ich wusste,
dass er es singen würde;
trotzdem war ich,
als es so weit war,
überwältig
– sehr sogar.

Vier Wochen zuvor war ich auch nicht sicher gewesen, ob ich den folgenden Tag sehen würde,
und lehnte mich gegen das Ziehen der Notbremse nicht mehr auf.
Hätte ich gar nicht mehr gekonnt.
Es war nicht mehr die Notbremse;
es war die Not-Notbremse.

Dafür ging es mir dann schnell besser,
sodass ich für ein paar Tage in die Berge fahren
& Ende Monat eben auf diese Insel fliegen
konnte.
Meer & Sonne mit Naila,
Schnee & Sonne mit Taieb:
Ich konnte die Tage geniessen & wieder atmen;
ich spürte & wusste, dass genügend Menschen um mich herum waren, die dafür sorgen würden, dass ich die Zeit, die ich dringend für Behandlungen brauchte, bekommen würde.
Nicht für Erholung
– davon kann bis heute nicht die Rede sein.

„… but winter’s here
and
summer’s really over.“

Vorbei sind Sommer & Herbst;
der Winter ist hier.
Ich mag ihn nicht mehr wirklich.
Erholt habe ich mich
von den sieben Jahren,
in denen ich immer arbeitete,
obwohl ich ernsthaft krank war,
nicht.
Und ich glaube, ich muss mich von dem Gedanken, mich jemals davon erholen zu können, verabschieden.
Vielleicht wäre
die Verabschiedung
von diesem Gedanken,
von dieser Vorstellung,
von diesem Wunsch
in sich selbst
ein Stück Erholung,
ein Stück Befreiung.

Und vielleicht wäre der Vorsatz für das neue Jahr, mich von dieser Vorstellung zu befreien, ein hilfreicher.
Ja, gerade zum jetzigen Zeitpunkt, wo es mir nicht gut geht, wäre dieser Vorsatz wohl ein hilfreicher.
Ich werde versuchen loszulassen.

Gestern hatte meine Hausärztin frei. Daher tastete ihr Kollege meinen Rücken ab, was schmerzhaft war. Viel anmerken liess ich mir nicht.
So halt wie gewohnt.
Ich kann gar nicht anders…

Er erwähnte die Hämatome sowie weitere Flecken, hörte die Lungen ab & ordnete dann das Röntgen der Wirbelsäule von vorne, von hinten sowie von der Seite an.
Die Erleichterung darüber, dass nichts gebrochen & auch nichts verschoben ist, geht momentan noch in den Schmerzen auf der ganzen rechten Körperseite, den Rückenschmerzen & den Kopfschmerzen unter.
Sie wird etwas verzögert schon noch eintreten.

Die Lunge ist gemäss Röntgenbild unversehrt.
Doch da das tiefe Einatmen schmerzhaft ist,
macht er am Montag noch einen Ultraschall.
Wir werden sehen,
bin gespannt. 🤷🏻‍♀️

Im Urin war Blut.
Wenn ich Glück habe, stammt es von der Menstruation, die eben erst vorüber ist;
wenn ich Pech habe, ist die rechte Niere verletzt worden & stammt es daher.
Darum folgen am Montag ein zweiter Test sowie ein Nierenultraschall.

Einmal habe ich geschrieben, ich wisse, wie es sei, wenn man „einfach“ nicht mehr könne.
Ja, das weiss ich; das stimmt.
Ich meinte das hauptsächlich vom physischen (körperlichen) Standpunkt her betrachtet.

In den vergangenen drei Tagen
bin ich zum ersten Mal nicht sicher gewesen,
ob ich schon wieder die psychische Kraft aufbringen könne,
diese wahrscheinlich wiederum langwierige Sache durchzustehen.

Ich bin mir so gut wie sicher, dass
diese Gedanken,
diese Zweifel
ganz verflögen,
wenn ich schlafen könnte.
Auch durch die Erkältung bin ich sehr müde.
Aber wenn fast alles weh tut,
ist Schlafen schwierig
– noch schwieriger.

Der Arzt findet meine Einstellung, auf Schmerzmittel zu verzichten, solange es irgendwie geht, richtig.
Darum habe ich Salben bekommen.
Doch momentan tut nur schon das Einreiben weh, sodass ich es gar nicht möchte.
Ich hoffe, dass es in ein paar Tagen geht.
Ein Bad mit Medizinalzusatz geht jetzt schon
– zum Glück.

Gestern Nachmittag kam der Herr vom Schlüsselservice vorbei & reparierte unsere Schlösser. Seine Redseligkeit am Telefon setzte sich in der persönlichen Begegnung fort. Als er mich fragte, woher mein Name sei, und, nachdem ich mit „aus Marokko“ geantwortet hatte, weiterfragte, ob er angeheiratet sei, überlegte ich mir schon, was er wohl als nächstes fragen würde… 😮

Ich bin offen & gebe an sich gerne Auskunft,
aber gestern war mir nicht danach zumute,
weil „so tun, als ob es mir gut gehe“ einen grossen Teil meiner Aufmerksamkeit beanspruchte.
Ich gab mir jedoch Mühe & unterhielt mich mit ihm.
Die nächste Frage kam prompt, aber sie war ganz anders, als ich erwartet hatte:
„Sind Sie erkältet?“
Ich antwortete mit „ja“
&
behielt für mich, was ich sonst noch so über meinen Gesundheitszustand hätte berichten können…
Irgendwie war das wohl für beide besser.

Zur gleichen Zeit war auch der Garagist bei uns & ersetzte die Batterie, die am Donnerstagmittag zum ersten Mal & am Freitagmorgen zum zweiten Mal den Geist aufgegeben hatte.
Auch er fragte: „Sind Sie erkältet?“
Man scheint es zu hören…

Wenn man schon kaum jemals
etwas von allem anderen
sieht…

Rahel hatte Taieb am Donnerstagnachmittag zur Schule gefahren, nachdem unser Auto nicht angesprungen war & er ausgerechnet an jenem Nachmittag fünf Minuten früher hätte in der Schule sein sollen.
Denn sie gingen ins Altersheim, um Weihnachtslieder zu singen.
Zwischenzeitlich unterhielt ich mich mit Yannik.
Als Rahel zurückkam, tranken wir Kaffee zusammen.
Danach fuhr ich nach Zürich.

Taieb durfte nach dem Singen & zum Abendessen bei Rahel bleiben, die, als ich von Zürich zurückkam, sofort ihren Garagisten anrief, der gleich um die Ecke wohnt, den ich aber nicht kannte.
Postwendend stand er da, überbrückte die Batterie & bestellte vorsorglich und, wie sich am anderen Morgen ja herausstellte, zu Recht eine neue, da die andere die durchschnittliche Lebensdauer schon deutlich überschritten hatte.
Beiden war ich echt dankbar. ☺️

Naila war bei Pia & spielte mit ihr „Memory“.
Anschliessend durfte sie mit ihr noch einen kleinen abendlichen Einkauf machen & spazieren gehen.
In der Zeit konnte ich mich etwas von der Zugfahrt erholen
– das Sitzen & das Gedränge, normalerweise kein Thema, hatten mir ziemlich zugesetzt.

Wenn man das Buch von Tanja,
den Roman um eine mutige junge Frau,
wie es heisst,
umdreht, stehen da zwei prägnante Sätze.
„… die Wolken zogen über die Stadt,
als Anna Rosa das erste Mal wieder ins Freie trat.
Ich bin entkommen
und ich habe noch so viel vor
und werde mich jetzt nur noch Wichtigem widmen,
dachte sie.“

Genau
das dachte ich auch,
nachdem ich entkommen war.
Und habe seither intensiv versucht,
das umzusetzen…
Sonne & Seen,
Meer & Musik.

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