Tortilla Española

Die Kinder haben die Cocktail-Karte entdeckt: Die farbenfrohen Getränke, der farbige Zuckerrand und die leuchtenden Federn, Glastierchen und Schirmchen haben es ihnen angetan. Der Kindercocktail heisst „Molly’s.“ Molly ist der Bär, der hier für die Unterhaltung der Kleinen zuständig ist.

Am Montag feierten sie seinen vierten Geburtstag und dekorierten einen Partyraum für ihn. Naila war mit Begeisterung dabei, während Taieb dem Treiben eher skeptisch zusah. Er sass lieber mit uns an einem Tisch und ass Pizza.

Am Abend bei der Show war er dann aber auch voll dabei und einen „Molly’s“ möchte er seither jeden Abend trinken. Die Freude in seinen Augen beim Erzählen steckt an, sodass ich gestern ebenfalls einen Cocktail bestellte. Keinen „Molly’s“… 😁

Gestern erklärte ich, dass bei systemischen Erkrankungen eben fast das ganze System des Körpers bzw. mehrere Organsysteme betroffen sein kann/können. Doch es sind selten alle Organe betroffen bzw. gleich stark betroffen. Die einen trifft es (oft deutlich) mehr als die anderen, was nicht selten zu Fehldiagnosen führt.

Dass mehrere Jahre bis zu den richtigen Diagnosen vergehen, ist in solchen Fällen üblich. Das hat nicht nur mit der Beteiligung mehrerer Organe zu tun, sondern auch damit, dass die Symptome während einer Remission wieder verschwinden und viele Betroffene darum zu spät zu ihrem Arzt oder ihrer Ärztin gehen. Auch bei mir war das so und ich würde nie einer Ärztin oder einem Arzt einen Vorwurf machen, dass ich erst 2014 die richtige Diagnose erhielt.

Ich würde höchstens mir selbst Vorwürfe machen, aber das bringt mich nicht weiter. Konsequenzen habe ich jedoch gezogen und würde anderen Betroffenen raten, für sich selbst zu schauen: für sich selbst und damit auch für die nächsten Angehörigen. Alles andere ist fahrlässig und für nichts, weil niemand sich dafür bedanken wird – im Gegenteil.

Auch darum postete ich letzte Nacht auf Facebook einen Artikel über eine chronisch kranke Frau, die sich zum Verschieben von Arztterminen äussert. Verschieben für eine Sitzung? So etwas geht bei harmlosen Angelegenheiten. Es geht natürlich auch bei ernsthaften Erkrankungen, ich habe es ja auch getan. Und würde es nie wieder tun.

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Was ist wichtiger, eine Sitzung oder ein Menschenleben?

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Dass ich mir einmal selber Spritzen machen würde, hätte ich vor ein paar Jahren auch noch nicht gedacht. Ich hätte es mir gar nicht zugetraut. Sie liegen zu Hause im Kleiderschrank; in die Ferien nehme ich sie nicht mit. Als Junkie am Flughafen? Lieber nicht.

Drogen, Rauchen oder Alkohol: nie ein Thema. Ich habe noch nie eine Zigarette auch nur zwischen meinen Fingern gehabt, noch nie auch nur berührt. Vielleicht bin ich auch deshalb empfindlich auf Reaktionen und Aussagen, die verraten, dass die sich äussernde Person von chronischen Erkrankungen so gut wie keine Ahnung hat. Ja, vielleicht auch deshalb.

Vor allem aber wegen dem oft fehlenden Wissen und Verständnis. Bei der Ernährung beispielsweise haben krude Theorien ein unhaltbares Ausmass angenommen, die Auswüchse sind oft unwissenschaftlich, rechthaberisch und menschenverachtend. Wer meint, mit der Ernährung schwere Erkrankungen, die ihre Basis in der genetischen Konstellation haben, heilen zu können, hat erstens im Biologieunterricht nicht viel verstanden und zweitens selbst keine ernsthaften Krankheiten.

Manchmal frage ich mich, wie es aussähe, wenn die selbsternannten Ernährungsapostel persönlich betroffen wären. Dann hört man ja meist nichts mehr von ihnen. Die Gründe sind augenscheinlich.

Oder weshalb ist Uriella verschollen, als sie selbst krank wurde?!? Sie hatte doch schon längst Heilmittel gegen Krebs…! (Der Inbegriff an Hohn allen Betroffenen und deren Angehörigen gegenüber.)

R. G. Hamer ist Antisemit und leugnet Aids. Eine Australierin propagiert Lichtnahrung und führt ahnungslose oder hoffnungslose Menschen hinters Licht. Das sie zu essen vorgibt.

Ich esse lieber spanische Tortilla mit Salat und schaue Naila zu, wie sie genüsslich ihre Chicken Nuggets verdrückt. Trügerischen Halt, Ausflüchte und Ersatzreligionen brauche ich keine. Im Maturazeugnis hatte ich eine (Schweizer) 6 in Biologie und hätte genauso gerne Biologie wie Sprachen studiert. Esoterische Scharlatanerie ist nichts für mich, ich stelle mich der Wirklichkeit.

Die Wirklichkeit besteht momentan darin, dass die Temperaturen gesunken sind und der Himmel bewölkt ist. Taieb und Naila sind trotzdem im Meer schwimmen gegangen und haben beim Tauchen drei Fische entdeckt. Begeistert berichteten sie davon.

Auch darin, dass der Boden des Wohnzimmers mit Kleidern und Badeutensilien übersät und derjenige im Badezimmer von warmem Wasser überschwemmt war und dass die beiden ihn jetzt getrocknet und ihre sieben Sachen aufgeräumt haben. Sowie darin, dass Taieb Nailas Haare bürstet und sich bemüht, ihren Wünschen gerecht zu werden. Des weiteren darin, dass ich heute beim Abendprogramm zuschauen werde, solange es von den Augen her geht.

Tanzen gehe ich dann zu Hause wieder – zu Popmusik oder orientalisch.

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