Vielleicht…

Seit heute Morgen haben wir einen Furby. Er ist rosarot und spricht mehr oder weniger verständlich nach, was man ihm vorsagt oder einfach so sagt. Gar nicht so schlecht eigentlich, man hört sich selbst wieder einmal zu. Das nehme ich mir immer wieder mal vor, auch wenn die Umsetzung im Alltag schwierig ist.

Im Küchenschrank zu Hause steht eine kleine Flasche Olivenöl aus Kreta. Sie ist schon seit drei Monaten leer, aber ich behalte sie, weil ich das Zitat von Pythagoras auf der Etikette immer wieder lesen möchte. Es geht darum, dass man dann reden soll, wenn Worte besser als Schweigen sind. Ich könnte die Flasche aus dem Schrank nehmen und an einen Ort stellen, wo ich sie jeden Morgen sehe. Und wenn Pythagoras nicht hilft, dann schafft es vielleicht Furby.

Ich glaube, den meisten Menschen täte ein Furby oder Pythagoras gut. Denn die meisten reden zu viel und sollten sich ab und zu selbst hören. Zum Beispiel an Sitzungen.

Es gibt wohl oft diese Arbeitskollegen und -kolleginnen, die sich speziell wichtig und unverzichtbar vorkommen, am liebsten sich selbst reden hören und in 15 Minuten erläutern, was in einer Minute hätte gesagt werden können – mehrmals pro Sitzung, versteht sich. Aus meiner Erfahrung sind es Kolleginnen, bei anderen mag das anders sein. Zuweilen verwechseln die gleichen überdies ihren Beruf mit demjenigen einer Polizistin oder anderen Überwachungsinstanz und protokollieren peinlich genau, wer wann und wie lange anwesend ist.

Vielleicht ist die abwesende Kollegin ja nicht im Fitness-Studio, vielleicht sitzt sie nicht zu Hause auf dem Sofa und schaut fern, vielleicht ist sie nicht dabei, den Kindern aus einem Buch vorzulesen. Vielleicht ist sie beim Arzt, im Spital oder in einer Apotheke mit Notfalldienst. Vielleicht würde sie sogar noch lieber den selbstverliebt anmutenden Ausführungen gewisser Kolleginnen zuhören, als ungewisse Minuten in einem Wartezimmer zu verbringen und auf die Resultate von bildgebenden Verfahren oder Biopsien zu warten.

Vielleicht wäre sie nicht nur an der Sitzung, sondern auch am Weihnachtsessen gerne dabei gewesen. Vielleicht findet sie es auch nicht lustig, am Samstagmorgen um 5 Uhr aufzustehen und um 7 Uhr für eine Blutwertkontrolle in Zürich zu sein. Die nur in dringenden Fällen um diese Zeit an diesem Wochentag stattfinden. Vielleicht…, vielleicht…, vielleicht…

Bis heute Morgen wusste ich gar nicht, was ein Furby ist. Die Kinder hatten zwar davon erzählt und mir unterbreitet, wer von ihren Freunden und Freundinnen einen zu Hause habe und warum sie auch einen haben müssten. Aber ich habe nicht so genau hingehört, weil ich nicht kaufen gehe, was gerade wieder für ein paar Wochen aktuell und in Mode ist.

Jetzt haben sie ihr Feriengeld zusammengetan und hier in Cala d’Or einen gekauft. Das ist in Ordnung, es ist ihr Feriengeld. Und wenn es aufgebraucht ist, gibt es keines mehr.

Und wie erwähnt: Furby könnte ein ganz nützliches Familienmitglied werden. Dafür werden sie Molly wohl vermissen. Sie haben ihn ins Herz geschlossen.

Gestern schaute ich auch zu beim Abendprogramm. Es hat Spass gemacht und von den Augen her ging es. Das Licht war gar nicht so hell, wie ich gedacht hatte, und für ein paar Minuten fiel es ganz aus.

Diese technische Störung bedeutete Erholung für meine Augen und ich überlegte mir, ob wohl noch andere Gäste anwesend sind, denen es ähnlich ergeht. Gut möglich. Vieles sieht man nicht…

Sanja und ihre Grossmutter Rada sind heute nach Bonn zurückgeflogen und ich bin froh, dass wir gestern Abend zusammen sein konnten und ich auch bis zum Ende bleiben konnte. Ich kaufte drei „Molly’s“ für die drei Kinder und wir schauten ihnen beim Hüpfen, Tanzen und Singen zu. Als das Licht ausfiel und die Musik aufhörte, kam ich ins Gespräch mit Rada. Sie erzählte mir von ihrem Cousin, der in der Schweiz lebt, in Goldau, aber nie Zeit für einen Besuch hat.

So ist es mit vielen Menschen. Sie meinte, mit allen. Alle würden die Arbeit vor die menschlichen Beziehungen stellen, keine(r) mehr würde andere besuchen gehen. Ich weiss nicht; so absolut sehe ich es nicht, aber bei vielen stimmt es schon. Ich habe gelernt, diejenigen, die anders sind und sich weniger treiben, steuern und hetzen lassen, als Perlen zu sehen – Perlen in meinem Leben.

Gestern schrieb Naila eine Postkarte an Pia, mit Grüssen an Holly und Cino, sowie eine an ihr Grossmami, meine Mutter. Taieb hat seiner Lehrerin und Yannik geschrieben. Natürlich habe ich ihnen dabei ein bisschen geholfen.

Morgen wollen beide noch je eine Karte schreiben. Ich würde auch gerne jeden Tag zwei oder drei oder vier Karten schreiben: den Perlen in meinem Leben. Aber ich habe eine komplizierte Beziehung zu meiner Handschrift… 🤷🏻‍♀️

So lasse ich es meist bleiben. Dafür zeige ich den Menschen meine Verbundenheit auf andere Weise. Rada werde ich zu Weihnachten schreiben.

Naila vermisst Sanja bereits. Sie konnte ja nicht mehr mit ihr, sondern musste“ mit uns am Tisch essen. Und entschied sich für eine doppelte Portion Melone, eine Pflaume, Reis und einen ganzen Teller voller Gelb.

Den Namen von Gelb hatte sie vergessen. Auch der Teller von Taieb war gefüllt mit Gelb. Einem Berg Pommes nämlich.

Das Wetter war heute nicht so, wie man es sich für Pools und Strand vorstellt. Also beschlossen wir, am Nachmittag mit dem kleinen, blauen Touristenzug durch die Umgebung von Cala d’Or zu fahren. Dieses Wetter könnten wir zu Hause auch haben. Die ganze Wände bedeckenden Bougainvilleas, den Einfahrten zierenden Oleander und die Hibiskusblüten, die einen immer anzuschauen scheinen, jedoch nicht. Die Palmen und das Meer auch nicht.

Ich versuchte, mir vorzustellen, wie die Umgebung im Sonnenschein aussähe. Ich musste mich eigentlich ja nur zurückerinnern. Hell und golden glitzernd.

Nächste Woche sollen die Temperaturen wieder zwischen 25 und 27 Grad werden. Ein wenig ärgert mich das schon, um ehrlich zu sein. Die kalte Jahreszeit ist immer eine zusätzliche Herausforderung bei chronischen Erkrankungen. Aber es wird schon gehen.

Das Gelb von Naila war übrigens Mais.
Rohe Maiskörner. 🙂