Unser höchstes Gut

Dies wird mein vierzehnter Text.

Ich danke Natalia für den Vorschlag zu bloggen; ich danke Nora, dass sie mich weiter dazu ermutigt hat, und ich danke denjenigen, die mir entweder öffentlich oder in einer persönlichen Nachricht geschrieben haben.

Ich danke Pia für die köstlichen Trauben aus ihrem Garten, und ich danke Rahel, dass Taieb mit ihr und Yannik Kuchen backen und Pizza essen durfte. Auch für die Unkompliziertheit, die Offenheit, die Hilfsbereitschaft und am meisten für das so selbstverständliche Nichturteilen.

„Wer A kann, kann auch B.“
Nein, wer A kann, kann A.
Ob er/sie B kann, ist eine komplett andere Fragestellung, die mit A nichts zu tun hat.

Wenn ich also Ende Februar das Konzert auf Malta besuchen konnte, sagt dies nichts darüber aus, ob ich – zum Beispiel – arbeiten konnte oder nicht. Auf der Bühne schmeissen die Musiker den Laden. Von mir erwartet niemand etwas, auf mich sind nicht alle Blicke gerichtet, ich muss nichts leisten.

Herrn Kurmann, zu dem die Versicherung Vertrauen haben kann, erzählte ich, dass ich für meine Verhältnisse viel vergessen oder nicht mehr finden würde. Dass ich drei Hausschlüssel innerhalb weniger Wochen verloren hätte. Dass ich Lücken in der Erinnerung sowie Handlungsblockaden hätte.

Das ist durch Medikamente und Schlafentzug zu erklären. Aber man darf den Zustand nicht anstehen lassen. Die Verbindung zwischen diesen Symptomen und späteren Demenzerkrankungen ist erwiesen, und die Leiterin der Memory Klinik des Waidspitals Zürich möchte die Öffentlichkeit über diesen eindeutig nachgewiesenen Zusammenhang aufklären, wie ich in einem interessanten Artikel im „Beobachter“ gelesen habe.

Herr Kurmann will und darf darüber nichts wissen und kennt die Leiterin der Memory Klinik nicht. Ich hatte den Eindruck, dass er nicht einmal wusste, dass es diese Klinik gibt und dass sie zum Waidspital gehört. Alles, was er auf Lager hatte, war wiederum eine seiner dummen „Denken Sie …?“-Fragen:

„Denken Sie, Sie hätten Morbus Alzheimer?“ Ja, das hat er mich tatsächlich gefragt. Was mich verletzte, da ich, als diese Symptome auftauchten, zum ersten Mal so richtig von Angst gepackt wurde. Aber im Namen der Versicherung, im Namen des Geldes, im Namen des schnöden Mammon bagatellisieren und manipulieren Pseudo-Ärzte nahezu alles. Sogar das höchste menschliche Gut:

unser Gedächtnis,

unsere Erinnerung,

unsere Identität.

Wenn wir sie verlieren, verlieren wir uns selbst. Alle, die jemanden kennen oder kannten, der/die an einer Demenzerkrankung leidet oder litt, wissen, wovon ich schreibe. Nur allzu gut. Leider.

Noch einmal, Herr Kurmann: „Ich denke nicht, ich hätte…; ich weiss, dass ich habe.

Kennen Sie bildgebende Verfahren?! Biopsien?! Blutwerte?!

Eben.

Dann studieren Sie doch Ihre Unterlagen nächstes Mal im Voraus. Wir haben nämlich alles in der Schublade oder auf dem Computer und verlieren unsere Zeit nicht mit „Denken Sie …?“-Fragen. Wir wissen, was ist, und haben dafür Zeit, über Sie zu lachen oder über Musik zu reden.“

 

 

2 Kommentare zu „Unser höchstes Gut

  • …, deine Texte sind so enorm stark. Ich bin zu tiefst beeindruckt. Ich weiss ja nicht wirklich welche Krankheit du zu erzragen hast. Bestimmt ist es eine grosse Herausforderung an dich, das Leben und an deine Liebsten. Du bist stark und packst das.
    Ich weiss wovon ich schreibe – auch an uns als Familie werden grosse Herausforderungen gestellt. Du kennst den Grund. Es liegt mir fern einen Vergleich zu machen. Das wäre absurd. Einen mehr oder weniger schweren Rucksack haben alle zu tragen. Lieber Gruss M.

    • Vielen Dank, Margrit, das ist nett von dir und freut mich!

      Ich habe eine Autoimmunerkrankung, die verschiedene innere Organe, die Augen, die Haut sowie die grossen Gelenke betreffen kann. Ich kann ganz gut damit leben. Viel schlimmer sind dumme und falsche Urteile, zum Beispiel weil man ja meistens nichts sieht…

      Ja, ich kann mir vorstellen, dass du auch sehr viel zu berichten hättest – über Erfahrungen mit Menschen und Menschen. Und ja, du hast recht, es geht nicht ums Vergleichen, sondern ums Verarbeiten und Aufklären und somit vielleicht auch anderen helfen zu können. Das sind meine Ziele.

      Machs gut und bis bald!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert