Zufall und Pech

Heute Nachmittag wurde Nahom beerdigt. Meine Gedanken waren bei den Eltern.

Unvorstellbar…

Wenn die Familie nicht nach Eglisau gekommen wäre… Wenn das Wetter am Mittwoch kühl und unfreundlich gewesen wäre… Wenn sie spazieren statt schwimmen gegangen wären…

Zufall und Pech.
Pech und Zufälle.

Mein Mann und die Kinder wollen morgen Blumen auf das Grab bringen und in der Kirche eine Kerze anzünden. Taieb glaubt, dass er einem Tier pfeifen könnte, wenn er verletzt im Rhein wäre, einem Hai. Der würde zu ihm schwimmen, mit ihm kommunizieren, ihm helfen und ihn retten.

Naila ist heute genau siebeneinhalb Jahre alt. In Amerika gibt es den „half birthday“, und weil die Männer an einem Fussballturnier in Schaffhausen teilnahmen, ging ich mit Naila Kuchen essen und ihre langersehnten Inline-Skates kaufen. Mit diesen fährt sie seit Stunden draussen herum.

Dass der letzte Dezember und der letzte Januar die Hölle gewesen waren, habe ich schon einmal geschrieben. Die Rettung kam Ende Februar in Form eines Konzerts. Chris schrieb mir: „I‘m sure we‘ll get you in somehow.“

Auch zuvor gab es ein paar schöne Tage in den Bergen – im Schnee und bei Sonnenschein, auf der bekannten Schlittelbahn von Preda nach Bergün. Taieb und Naila hatten rote Wangen und grossen Spass. Ihre Unbeschwertheit tat mir gut.

Von den Bergen ging es ans Mittelmeer, auf die Insel Malta. Das Konzert war ausverkauft gewesen. Dass Naila und ich als Gäste daran teilnehmen durften und zwei zusätzliche Stühle in den Saal gestellt wurden – blaue statt rote 😄 -, war für mich wie ein Zeichen vom Himmel. Die vier wunderbaren Tage bei sommerlichen Temperaturen werde ich nie vergessen.

Ich hoffe, dass das Kortison bald aus dem Körper draussen ist und ich zumindest eine Chance habe, regelmässiger schlafen zu können. Geduld habe ich viel gebraucht und viel gehabt. Irgendwann versiegt sie auch bei mir.

Der Wirkstoff Azathioprin im Imurek, dem Medikament, das ich eigentlich nehmen müsste, ist ein Immunsuppressivum und ein Zytostatikum. Er greift direkt in die Zellen ein, daher der Name. Eingesetzt wird er bei Transplantationen sowie in Chemotherapien.

Chemotherapie wird nicht nur gegen Krebs angewendet, sondern auch gegen bestimmte Autoimmunerkrankungen. Man hat dann auch eine Chemotherapie, zwar in (viel) niedrigeren Dosierungen, jedoch über (viel) längere Zeit. Das wissen verständlicherweise viele Leute nicht.

Dass jedoch ein Arzt dieses Medikament bagatellisiert, grenzt an Hohn. Auch entzündete Gelenke findet er nicht weiter schlimm; die Schmerzen hat er ja nicht. Beurteilen darf er sie trotzdem.

Zudem fragte er mich nach fast jeder Aussage: „Ja, denken Sie jetzt, Sie hätten …?“ „Genau, mein lieber Herr Kurmann, wenn ich zwei Wochen lang kaum etwas essen kann, obschon ich gerne esse und gerne gut esse, dann denke ich tatsächlich, ich hätte eine Entzündung der Magenschleimhaut.

Relativ naheliegend, Herr Vertrauensarzt. Schon einmal etwas von autoimmuner Gastritis gehört? Schon einmal gehört, dass diese im Zusammenhang mit der Erkrankung, die ich habe und die verschiedene innere wie äussere Organe betrifft, auftreten kann?

Wissen Sie, Herr Kurmann, ich denke diesbezüglich gar nicht so viel, wie Sie meinen. Ich habe „alles“ Schwarz auf Weiss. Oder Weiss auf Schwarz. Wenn Sie die Unterlagen auch nur fünf Minuten studiert hätten, hätten Sie sich – und mir – die dummen „Denken Sie …?“-Fragen ersparen können.“

In dem Sinne: Denkt nicht zu viel und geniesst den Samstagabend!

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