Freude, schöner Götterfunken…

Glück im Unglück: Notfalltermin im Augenzentrum und doch die beiden Jungs, Taieb und Finan, nicht enttäuschen müssen. Ich hatte ihnen nämlich versprochen, noch einmal mit ihnen nach Wallisellen ins Hallenbad zu fahren. Wir würden Finan um 9 Uhr abholen.

Da die Entzündung immer schlimmer geworden war, wollte ich zu der Ärztin, die mich vorgestern behandelt hatte, zurückkehren. Doch die Praxis öffnet am Donnerstag erst um 10 Uhr. Also ging ich in die nebenan gelegene Apotheke, wo die Apothekerin fand, dies sei ein Fall für einen Augenarzt. Das heisst, nicht nur ein Fall, sondern ein Notfall. Sie rief sogleich einen Augenarzt in Bülach an, der aber in den Ferien ist.

Seine Praxisassistentin meinte, ich solle das Augenzentrum in Wallisellen aufsuchen. Das kam mir sehr gelegen, hatte ich doch immer noch die Absicht, Finan und Taieb einen gemeinsamen Morgen und Mittag im Hallenbad zu ermöglichen. Versprechen sind mir heilig.

Die Apothekerin rief also dieses Augenzentrum an und konnte für mich einen Notfalltermin abmachen. Sie betonte beide Male am Telefon, wie rot das eine Auge sei. Total rot. Dann wünschte sie mir gute Besserung.

Wir holten Finan ab und machten uns auf den Weg. Ich überlegte mir, wie ich am besten formulieren würde, dass und warum ich die Kinder für eine ungewisse Zeit alleine lassen müsse. Wobei: Ich hatte ja – für einmal (!) – den nicht zu unterschätzenden Vorteil, dass man etwas sah, so richtig viel sogar. Die Begründung würde wohl wenig Zeit in Anspruch nehmen, wenn überhaupt.

Als wir an der Kasse waren und ich die Situation erklären wollte, entdeckten wir eine Lehrerin aus dem Schulhaus unserer Kinder. Sie war mit ihrer Tochter und einer Freundin der Tochter gekommen und war auch grad am Hineingehen. Was für ein glücklicher Zufall…!

Ich sprach sie an und fragte sie, ob die beiden Jungs sich während meiner Abwesenheit an sie wenden könnten, wenn es nötig wäre. Sie willigte sofort ein und ich konnte beruhigt in das nahegelegene Augenzentrum fahren. Dieses befindet sich sozusagen im Einkaufszentrum Glatt.

Die Augenärztin untersuchte beide Augen und meinte, dies könne gefährlich werden. Entzündet ist auch das rechte Auge immer noch. Es handelt sich um eine Konjunktivitis, die schon auf die Hornhaut übergegangen ist und zu einer Uveitis werden könnte.

Schöne Namen… Ich beschäftige mich lieber mit Konjunktionen und dem Konjunktiv, und ja, ich kenne den lateinischen Namen für Bindehautentzündung nicht erst seit heute. Solange keine Uveitis daraus wird, nehme ich das gelassen.

Tropfen habe ich dieses Mal andere bekommen: solche, die Kortison enthalten. Ich hatte mir geschworen, mindestens ein Jahr lang kein Kortison mehr anzufassen; egal, was kommt. Immerhin wirken die Tropfen nur lokal. Von daher sind sie ganz anders als Tabletten, bei denen die Wirkstoffe in den ganzen Körper übergehen.

Am 24. Oktober habe ich einen Kontrolltermin. Für die Ferien hat sie mir ein zweites Fläschchen mitgegeben. Was ich in einem weiteren Notfall tun müsste, weiss ich. Und Augenärzte gibt es auch in anderen Ländern…

Das war wieder einmal etwas spät gewesen: vor zwei Tagen zu einer Ärztin, heute zu einer Augenärztin. Ich erinnerte mich daran, dass bei dem Mal, wo ich mich quasi rechtfertigen musste, warum ich zum Arzt gegangen war, auch die Augen entzündet waren. Man sah einfach nichts davon…

Wenn das Auge weiter innen entzündet ist, sieht man nichts. Doch das grelle Licht der Neonröhren am Arbeitsplatz war unerträglich. Ich konnte die Augen kaum offen halten; zudem war es schmerzhaft und fühlte sich an, als ob Fremdkörper in den Augen wären. Ich hatte Angst um meine Augen, Angst um meine Sehkraft.

In Notfällen geht es nicht um verschiedene Wahrnehmungen, sondern um Tatsachen. Tatsache ist, dass ich mehrere Male gearbeitet habe, obwohl ich nicht hätte arbeiten dürfen. Manchmal waren es akute Notfälle, manchmal längerdauernde Notfallzustände. Es geht nie nur um verschiedene Wahrnehmungen, sondern immer auch um Tatsachen.

Unsere verschiedenen Wahrnehmungen in Ehren. Aber sie werden leider oft missbraucht, um eine Person, die unliebsame Punkte ansprechen und falsche Spielchen aufdecken will, mundtot zu machen. So im Stil von: Das ist (halt/nur) deine Wahrnehmung.

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Was für ein bequemer Weg, Personen, die schnell denken und vieles durchschauen, zu verunsichern…!

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Diese Gedanken gehen mir jeweils, wenn es wieder einmal brenzlig geworden ist, durch den Kopf.

Heute kehrte ich erleichtert zum Hallenbad zurück, wo ich den Jungs noch bis 12.30 Uhr beim Rutschen, Spritzen und Springen zusah.

Ein vielleicht elfjähriger Junge spielte mit seinem Grossvater Wasserball. Das heisst nicht richtiges Wasserball, sondern mit einem aufblasbaren, leuchtend orangen Ball, der ab und zu über den Beckenrand glitt und auf mich zurollte. Irgendwie hatte er einen Drall in diese Richtung…

Jedes Mal rollte oder warf ich ihn dem Jungen zurück. Dieser bedankte sich auch jedes Mal und schien sich zu fragen, wie ich mit solchen Augen den Ball überhaupt sehen könne. Jedenfalls las ich das in seinem Gesichtsausdruck.

Überhaupt schauten mich heute viele Leute an. Den Kindern hätte ich am liebsten gesagt, sie müssten sich nicht fürchten. Ich sei kein Zombie…

Erklärungen oder Begründungen hab‘ ich heute keine gebraucht; in Richtung Rechtfertigung komme ich schon gar nicht, wenn alles so schön sichtbar ist. Irgendwie verständlich, aber für mich – und wohl die meisten Betroffenen – auch absurd. Wie oft war ich aus medizinischer Sicht in prekäreren Situationen als heute und in den letzten zwei Wochen, aber man sah nichts davon…

Dem Jungen und dem Grossvater schaute ich gerne zu. Sie erinnerten mich zudem an das Grosselternpaar mit dem kleinen Jungen, die ich gestern im Thermalbad beobachtet hatte. Der kleine Junge sah ähnlich aus wie Taieb, als er in dessen Alter war. Ich sah die Freude in seinem Gesicht und ich sah die Freude in den Gesichtern der Grosseltern.

Ich sah die Freude im Gesicht einer älteren Frau heute im Warmwasserbecken. Ich sah die Freude in Finans Gesicht, als er und Taieb die vorgestern liegen gelassenen Wasserspielzeuge in der Fundkiste fanden. Ich sah die Freude der beiden Mädchen, denen ich je eine kleine Tüte Maltesers schenkte – als kleiner Dank, dass die Mutter des einen für die beiden Jungs da gewesen wäre, wenn es nötig geworden wäre.

Jedes Mal ist die Freude eine andere und kommt anders zum Ausdruck. Doch Freude ist Freude. Und ich freue mich jeweils mit.

 

 

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