To walk on stormy seas

Er fragte ein an einem Tisch im „El mercat de l‘estacio“ (Bahnhof Sants, Barcelona) sitzendes & frühstückendes Pärchen nach Geld für Essen. Anfangs ignorierten sie ihn, dann refusierten sie sein Anliegen. Ich stand daneben & war nicht verwundert.

Er solle mit mir an die Theke kommen, versuchte ich auf Spanisch zu sagen, was mit entsprechender Mimik & Gestik auch schnell gelang. Also gingen wir zur Theke, wo er sich für einen Kaffee & ein Mineralwasser entschied. Zu essen wollte er doch nichts. Da er nicht unterernährt aussah, insistierte ich nicht & bezahlte den Kaffee & das Mineralwasser. Er bedankte sich freundlich, dann verabschiedete ich mich von ihm.

So etwas zu machen, ist für mich selbstverständlich. Und meine Tochter hat in mir ein Vorbild nicht nur im Frausein & der Freude an Kleidern, Mode & Stil, sondern auch in inneren Werten & Haltungen. Beides wichtig, beides wertvoll.

Das grad beschriebene Vorkommnis ist nur ein einziges kleines Steinchen in einem grossen Mosaik von Taten aus tiefstem Herzen mit Vorbildfunktion. Meine Kinder tragen das weiter, ich sehe es immer wieder & höre es auch immer wieder von anderen Menschen. Was mich natürlich freut.

Mittlerweile sind wir in Casablanca angekommen. Endlich wärmer! Das geniesse ich. Kälte ist nicht meins & tut mir auch nicht gut.

Lupus ist eine Krankheit aus dem rheumatischen Formenkreis. Kälte verstärkt verschiedene Beschwerden, allen voran die Gelenkschmerzen & die Augenproblematik. Das sollte & möchte ich möglichst vermeiden bzw. zumindest reduzieren.

Wir sind doppelt froh, dass alles geklappt hat. Denn gestern fuhren keine (oder sicher nicht alle) Fähren zwischen Andalusien & Marokko, da es zu stürmisch war. Was wir uns vorstellen konnten; die Bäume vor unserem Hotel wurden kräftig hin- & hergeschaukelt.

Auch heute hat es noch beachtliche Wellen gehabt, die weit hinauf spritzten & meine flauschige Jacke von der Champs Élysées nass machten, sodass sie jetzt eben nicht mehr flauschig, sondern stachelig aussieht. „Wie ein Igel“, meinte Naila. „Du siehst aus wie ein Igel.“

Ich stand fast die ganze Zeit draussen. Zwischen Spanien & Marokko, zwischen Europa & Afrika: spannend & faszinierend. Dem aus grauem Himmel fallenden andalusischen Regen entfliehend, wärmeren Temperaturen entgegen.

Auch die Möwen hatten gegen den Wind anzukämpfen. Aber sie gaben nicht auf. Mir kam der Song „You raise me up“ in den Sinn… „You raise me up so I can stand on mountains. You raise me up to walk on stormy seas.“

Am Hafen von Tanger Ville angekommen, erspähten wir Katzen an lauter mehr oder weniger unmöglichen Orten. Wir mussten lachen, dann standen wir für die Passkontrolle & das Scanning des Gepäcks an. „Es riecht nach Marokko…, das ist der Duft von Marokko“, hatte Naila gleich beim Aussteigen gesagt.

Seit heute Morgen trägt sie eine schwarze Abaya, die ihr sehr gut steht. Auch hat sie sich besonders hübsch gemacht für die heutige Reise. Es ist ihr Land & es berührt mich jedes Mal zu sehen, zu hören & zu spüren, wie die Kinder ihre Identität finden.

Der Taxifahrer vom Hafen zum Bahnhof machte mit mir das Geschäft des Monats. Obschon ich genau wusste, dass die zehn Euro für eine Fahrt dieser Länge (bzw. Kürze 😄) in Marokko (viel) zu viel sind, drückte ich sie ihm in die Hand. Ich gab sie ihm gerne.

Nur für dumm verkaufen lass‘ ich mich nicht gerne, weswegen ich ihm noch mitteilte, dass ich nicht etwa zum ersten, sondern zum 30., 40. oder 45. Mal sein Land betreten würde. (Zu zählen hab‘ ich längst, längst aufgehört…) Dann nickte ich ihm zu & verschwand Richtung Bahnhofshalle.

Es war kurz vor 15 Uhr & ich kaufte zwei 1.-Klass-Billette für den Zug um 16 Uhr. So hatten wir noch Zeit, in unserem Lieblingscafé im ersten Stockwerk Msmen (das waren Vollkorn-Msmen…! 😲) zu essen & frisch gepressten Orangensaft zu trinken. Auch teilten wir Salma unsere Ankunftszeit mit.

Die Fahrt war wie gewohnt angenehm & komfortabel. Da es kein Wifi hatte, fing ich an, diesen Beitrag offline zu verfassen, und bearbeitete ein paar Pics vom Shooting. Dabei lerne ich immer dazu & lebe künstlerische Freiheit aus.

Der Empfang & das Wiedersehen am Bahnhof „Casa Voyageurs“ waren herzlich. Wir machten Witze über das Hotel, in dem ich letztes & vorletztes Mal war… Denn ich wollte letztes Mal gar nicht ins gleiche wie vorletztes Mal… 😅, war beim Buchen aber zu wenig aufmerksam & zu wenig sorgfältig gewesen. Nun ja, schlimm war es dort nicht, aber die Zimmer mit dem grellen Licht fand ich eher ungemütlich.

Auf der Autofahrt erfuhr ich, dass Salma ihr zweites Kind erwartet, und freute mich seeehr für sie & Amine. Und auch für Jad, ihren Sohn, der im Mai acht wird. Der freut sich ebenfalls & hofft auf ein Brüderchen, mit dem er Fussball spielen kann, wie ich später beim gemeinsamen Abendessen im Hotel erfuhr.

Ich hatte mir sooo gewünscht, dass sie noch ein Kind bekommen, und ich wusste auch, dass sie noch eines wollten. Aber sie wollten auch, dass alles stimmt, alles quasi perfekt ist, bevor es so weit sein soll. „Das ist es im Leben aber nie…“, dachte ich mir damals schon.

Jetzt ist Salma schwanger & wandert am 4. März nach Kanada aus. Amine & Jad bleiben für eine Woche & kehren dann nach Casablanca zurück, damit Jad hier das Schuljahr fertig machen kann. Im Juni folgen sie Salma dann nach.

Emigration ist ein Thema, das mich beschäftigt & mit dem ich mich dank Songs von Chris dB sowie (zu Songs gehörenden) Stories von Kieran Goss näher befasst bzw. dessen Tragweite ich erst dadurch realisiert habe… All‘ die vielen, vielen, vielen auseinandergerissenen Familien…, all’ die Gründe, aus denen Menschen emigrieren… All‘ der Schmerz, das Leid, die Sehnsucht, die Hoffnung, der Wille, der Kampf…

Ich bewundere Menschen, die so mutig sind & es wagen. Ich bewundere sie zutiefst. Ich bewundere Salma & hab‘ es ihr beim gemeinsamen Abendessen gesagt.

Dieses war übrigens ausgezeichnet: grosse Auswahl an „salades marocaines“ & feine warme Speisen. Dazu tranken wir marokkanischen Tee. Am Schluss liess ich alles auf meine Zimmerrechnung setzen.

Und ja, mit der Wahl des Hotels bin ich dieses Mal zufrieden – sehr sogar. Es hat nebst dem Market-Place-Restaurant im EG (wo wir assen) eine coole Bar im ersten Stock & ein Roof-Top-Restaurant sowie einen Fitnessraum & einen Wellnessbereich. Und es sind viele internationale Geschäftsleute hier – interessant. 🤪

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