Marokko

„Lisboa“, sagte der Buschauffeur & lachte. „Lisboa – sleep, sleep, you can sleep on the bus“, fuhr er fort & lachte mich an. Ich lachte auch, obschon ich nicht nach Lissabon, sondern lediglich nach Tarifa wollte. Doch der Bus, der um 10.45 Uhr von Algeciras hätte abfahren sollen, schien vom Wind weggetragen worden zu sein. 🤷🏻‍♀️

Er erklärte mir dann, dass der Bus nach Tarifa von Platz Nr. 3 oder 4 losfahren würde. Dies bestätigten noch zwei weitere Chauffeurs, was leider nichts daran änderte, dass besagter Bus nie eintraf & demzufolge auch nie losfuhr. Jedenfalls nicht in den 55 Minuten, die Naila & ich dort warteten. Vergeblich warteten.

Etwas später ging der Buschauffeur an uns vorbei & lachte mir noch herzlicher zu. Auch sein Kollege, mit dem er zusammen war, machte eine witzige Bemerkung. Es kam mir fast so vor, als ob wir uns schon lange kennen würden & gute Kollegen bzw. Kollegin seien. Sie wünschten uns noch „buen día“, einen guten Tag. Um den auch möglichst zu haben, beschlossen wir dann, mit einem Taxi zum Hafen von Tarifa zu fahren.

Das war am Montagmorgen nach dem Frühstück im „Octavio Mir“. Dass ich erst grad die Idee gehabt hatte, über Ostern nach Lissabon zu fahren (da wir auf unseren Interrail-Pässen zwei Reisetage übrig haben werden… & ich Portugal als eines der ganz wenigen europäischen Länder noch nicht bereist habe…) konnte er nicht ahnen. So oder so werte ich das als Zeichen, dass die Idee umgesetzt werden will & soll.

Mein gestriger Tag in Casablanca war sowohl ruhig wie auch abenteuerlich.
Das heisst, ruhig war der Morgen, abenteuerlich war der Nachmittag.
Der Reihe nach:

Am Mittag schlenderte ich durch das Banken- & Geschäftsviertel in unmittelbarer Nähe des Hotels (Kenzi Sidi Maarouf). Die Bancomaten in Marokko sind, wie ich natürlich weiss, Glückssache. Aber manchmal hat man eben Glück & dann klappts.

In einer Seitenstrasse fand ich dann – mitten im Banken- & Geschäftsviertel – ein Stück „echtes“ Marokko: ein Wagen nach dem anderen, wo frisches Essen & frische Fruchtsäfte angeboten werden. So kaufte ich mir ein mit Omelette & Gemüse gefülltes Sandwich, „sur place“ zubereitet, und einen frisch gepressten Orangensaft. Das verzehrte ich im Sonnenschein bei 22 Grad.

Auf der Seitenstrasse begegnete ich auch einem Schlüsselanhänger-Verkäufer. Da ich immer denke bzw. fühle, dass so halt jede(r) versucht zu tun, was er/sie kann, um (ein ganz kleines bisschen) Geld zu verdienen, kaufe ich ihm/ihr jeweils etwas ab. Ob ich es brauchen kann oder nicht…

In dem Fall hatte ich aber sogleich Jad vor Augen. Der würde sich über coole & bunte Schlüsselanhänger freuen. Und so kaufte ich dem Mann vier Anhänger ab. Ich gab ihm 60 Dirham dafür.

Das ist für hiesige Verhältnisse (sehr) viel, so viel bekäme er sonst für fünfzehn Stück, wenn überhaupt. Er freute sich denn auch sehr & ich hatte es lustig mit den beiden jungen Marokkanern, die beim Übersetzen halfen. Also Französisch – Arabisch.

Auch sie freuten sich für ihn & erklärten mir die Bedeutung des grünen wie des roten Anhängers. Beide stehen für eine Fussballmannschaft. (Was ich zu 50% gewusst hatte…, also Grün für Raja, meine ich. 😀) Da ich nicht wusste, für welche Mannschaft Jad ist, kaufte ich halt eben beide.

Später fuhr ich mit einem Taxi zur Avenue Reda Guedira, wo ich in einem Kosmetikstudio eine Gesichtsbehandlung machen liess. Die Kosmetikerin machte das sehr sorgfältig, das Resultat ist sehr gut. In der Schweiz hätte ich dafür das Vier- bis Sechsfache oder evt.sogar noch mehr bezahlt…

Morgen Nachmittag fahre ich wieder hin für eine andere Behandlung. Wie schon einmal erwähnt, alles natürlich. Das andere, sprich Unnatürliche, könnte ich mir nicht mal erlauben, denn es könnte einen Krankheitsschub auslösen, was ich auf keinen Fall riskieren möchte.

Ich kaufte noch ein paar Produkte, darunter eine Crème gegen trockene Haut. Meine Haut ist leider sehr trocken, was vor allem mit dem Immunsuppressivum & Zytostatikum zu tun hat. Aber ich bin guter Dinge, es bald noch mehr reduzieren zu können; ich nehme es jetzt schon nur noch fünfmal pro Woche (und nicht mehr täglich).

Als ich das Kosmetikstudio verliess, touchierte ein Anhänger eines Mofas ein anderes Mofa. Der Junge, der hinter seinem Vater darauf sass, wurde auf die Strasse katapultiert. Dort blieb er liegen.

Ich erschrak enorm & hatte Angst, dass ein Auto über ihn fahren würde. (Wer schon mal in Marokko gewesen ist & den Verkehr hier kennt, weiss, was ich meine…) Zum Glück passierte das nicht.

Drei oder vier Männer standen um ihn herum & kümmerten sich um ihn. Der Vater war nämlich weitergefahren, um den fehlbaren Mofalenker, der einfach davongefahren war, einzuholen & zu stellen. Solche Vor- bzw. Unfälle gehen mir immer sehr nahe; sie hinterlassen ja auch Spuren in einem Kind…

Immerhin war der Junge nur leicht verletzt. So konnte ich mein Vorhaben, ein Taxi zu rufen, wieder aufnehmen. Doch keiner wollte mich mitnehmen. Vielleicht war ich nach der Gesichtsbehandlung zu schön für sie…!? 😁

Spass beiseite, es war wegen dem Feierabendverkehr bzw. dem Stau. Das erklärten mir unmittelbar danach Rachida, die mich kurzerhand mitnahm, und später auch Salma, der ich die Geschichte beim gemeinsamen Couscous-Essen erzählte. Keiner will sich das antun, alle vermeiden gewisse Strecken zu gewissen Zeiten (was auch für mich (als Marokko-Kennerin) neu war).

Rachida, der ich nie zuvor begegnet war, nahm mich mit zu ihrem Auto. Sie könne mich da nicht einfach stehen lassen. Was sie jetzt mache, sei „un petit geste“, meinte sie & fuhr los.

Sie wuchs in Casablanca auf, lebte später mit ihren Eltern in Italien, bevor sie einen Franzosen heiratete & seit nunmehr 24 Jahren in Paris lebt. Ihre Tochter ist 20. „Et je reste là-bas, c‘est mon destin“, fügte sie an.

Irgendwann landeten wir im Viertel Oulfa & sie räumte indirekt ein, dass sie den Weg zum Hotel nicht finde. „Und Google Maps ist nicht ihr Ding“, schlussfolgerte ich für mich. Sie rief ihren Cousin an & fuhr zu ihm.

Als er ein paar Minuten später auf dem Mofa herangebraust kam, übernahm er das Steuer & fuhr mich rasant zum Hotel, währenddem sie hinten neben mir Platz nahm. Geld wollten sie partout keins, sondern steckten es entschieden in meinen Rucksack zurück. Ich begriff, dass ich es so akzeptieren musste.

Marokko. 🇲🇦

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