(M)ein Jubiläum

Am 14. Februar war nicht nur Valentinstag, sondern für mich auch genau sechs Jahre seit der OP am rechten Fuss & genau zehn Jahre seit der Diagnose. Was ja schon irgendwie krass ist & was ich eigentlich hätte gebührend würdigen sollen. Aber ich war so beschäftigt mit viel anderem, dass ich es vergass. Schlicht vergass, total vergass.

Das ist ja ein gutes Zeichen. Auf jeden Fall. Und doch geht es wieder in die Richtung wie öfters: dass die (schwere, chronische organische) Krankheit, die ich seit 15 Jahren habe & von der ich seit zehn Jahren den Namen kenne, zu fest verschwindet hinter eben ganz viel anderem, was mein Leben ausmacht, was mich ausmacht.

Natürlich bin ich dankbar dafür, natürlich darf ich stolz sein darauf. Wenn ich in einem Umfeld bin, wo das erkannt & anerkannt wird, stimmt das für mich so auch. Wenn ich jedoch in einem Umfeld bin, wo Leute es als völlig selbstverständlich sehen, dass ich mich fast immer & fast überall extrem zurücknehme, was all‘ die gesundheitlichen Aspekte & Herausforderungen anbelangt, und sich sogar noch selbst in den Vordergrund drängen, löst das bisweilen ungute Gefühle aus & sagen mir sowohl meine Intuition wie auch mein Verstand, dass da vieles nicht stimmt, dass da Wichtiges nicht stimmt, dass da ein Missverhältnis besteht, das mir – grad auch als sehr fürsorgliche (!) Person… – nie & nimmer gerecht wird.

Dann gilt es, das zu merken & sich davon zu distanzieren, zu lösen & zu befreien. Wenn Leute sich so verhalten, zeigen sie damit nämlich ihre grosse Selbstbezogenheit, ihr Unvermögen, sich in andere einzufühlen, und ihre eigenen Probleme bzw. Minderwertigkeitsgefühle & -komplexe. Denn sonst könnten sie dem, was Raum verdient, auch Raum geben, und müssten nicht so viel Raum für sich selbst beanspruchen.

Ich könnte zu dem Thema noch vieles schreiben, ich könnte diese Verhaltensweisen psychologisch analysieren & interpretieren. Also nicht so hobby- & küchenpsychologisch, sondern fundiert & eingehend. Wovor genau diejenigen, die es am meisten betrifft, auch am meisten Angst haben (was sie natürlich niiieee zugeben würden…) da sonst ihr ganzes Kartenhaus zusammenbrechen würde.

Dass bis zur Diagnose fünf Jahre vergingen, werfe ich, wie schon mehrmals erwähnt, keinem Arzt & keiner Ärztin vor. Nein. Es ist aus verschiedenen Gründen völlig „normal“ & nachvollziehbar, dass es eben so war, und es ist bei vielen Patientinnen & Patienten ähnlich. Zu tun hat dies mit den oftmals sehr unterschiedlichen & unspezifischen Symptomen, mit den Remissionen (Zeiten ohne Symptome) und mit der Seltenheit der Erkrankung.

Keine Ärztin & kein Arzt kann jede Krankheit kennen, geschweige denn auf jede spezialisiert sein. Das zu erwarten, ist dumm & fordernd-arrogant zugleich. In anderen Berufen erwartet man auch nicht, dass jemand in allen Teilteilteilbereichen absolut top ist, oder?!?

Und besserwisserische Querdenker oder querdenkerische Besserwisser, die aus einem (stark) beschädigten Selbstwertgefühl heraus & ohne den geringsten Nachweis an beispielsweise medizinischem oder psychologischem Wissen immer alles anzweifeln oder gar niedermachen, was Fachpersonen vorzubringen haben, braucht erst recht niemand. Sie helfen – im Gegensatz zu weitaus den meisten Ärzten & Ärztinnen… – ja auch keinem einzigen Menschen auch nur das geringste bisschen weiter. Sondern stellen lediglich sich selbst dar – grossgekotzt & selbstverliebt auf Facebook zum Beispiel.

Querdenken, weil das wahrhaftige (reflektierte, differenzierte & selbstkritische…) Denken halt so schwerfällt, nicht?!

So ist es doch, oder?

Verkackte Schulkarriere & dann zum Querdenker geworden – es passt halt meist so wunderbar zusammen…! 🤷🏻‍♀️

Mir kam also erst einen Tag später, also am Donnerstag, 15. Februar, gegen den Abend in den Sinn, dass ich am Tag zuvor eine Art Jubiläum hätte „feiern“ können. Das zehnjährige Diagnose-Jubiläum nämlich. Damals, als der Facharzt zu mir sagte: „Sie wirken so ruhig & gelassen.“

Das, was mir im Verlauf der Jahre immer mal wieder ein Arzt oder eine Ärztin gesagt hat; das, was mir wohlgesinnte Vorgesetzte, Arbeitskollegen  & -kolleginnen ab & zu sagen; das, was mir Freundinnen, Freunde & Bekannte, die selbst ein intaktes & gesundes Selbstwertgefühl haben, unumwunden zugestehen können. Das, was augenscheinlich ist. Das, was ich bin.

Nun gut, auch ohne dass mir das bittersüsse Jubiläum auch nur für den Bruchteil einer Sekunde in den Sinn gekommen wäre, war es ein sehr schöner Tag. Den ich so schnell nicht vergessen werde: weder den entspannten Morgen im Hotel noch den fröhlichen Nachmittag in den Souks sowie am Strand noch den überraschungsreichen Abend mit den drei Rosen & dem Parfum in meinem Hotelzimmer. „Es läuft“, könnte ich wieder sagen – und zwar auf allen Ebenen.

In den Souks war es etwas kühler, was angenehm war. Naila kaufte sich mit einem Teil des (von ihrer (Schweizer) Grossmutter erhaltenen) Feriengelds eine schöne, glitzernde Uhr (Rolex, jaaa! 😅) sowie zwei Armbänder, Salma kaufte sich zwei Koffer (für die Reise in die Stadt Saskatoon in der kanadischen Provinz Saskatchewan) und ich kaufte einen Gürtel mit einer „CD“-Schnalle. So trage ich jetzt also Christian Dior an prominenter Stelle – ganz genau. 😁

Danach fuhren wir ins Café „360° View“ am Strand von Ain Sebaâ. Bei 29 Grad am Atlantik zu sitzen, Pizza mit schwarzen Oliven zu essen & frisch gepressten Orangensaft zu trinken, ist auch ein Stück Glück. Ich unterhielt mich mit Salma & stellte ihr, da mich das alles sehr interessiert & berührt, viele Fragen rund um ihr Auswandern nach Kanada.

Die Vorbereitungen, das Bewerbungsverfahren, der Entscheid des kanadischen Ministeriums, die Familie, die Freunde & Freundinnen, der Job, die Gedanken, die Gefühle, Jad, sein ungeborenes Geschwisterchen, …, …, usw. usf.
Das ist alles so, so mutig.
Und Amine, der zuerst komplett dagegen war, sich dann aber immer mehr auf einen Entwicklungsprozess eingelassen hat & jetzt auch dafür ist, hinter Salma steht & sich sogar freut, zeigt damit vor allem das: Stärke, Reife & Liebe.

Wahre Liebe.

Später, am Abend, als ich das Hotelzimmer betrat, traute ich meinen Augen nicht mehr: drei hübsche Rosen standen im Eingangsbereich, daneben ein Parfum. Ich war so mega geflasht. Und ja, ich ahnte sofort, von wem das kam.

Und nein, ich bin dafür mit keinem der Geschäftsherren ins Bett gehüpft. Das hab‘ ich nicht nötig. Es gibt Männer, die eine Frau einfach so kennenlernen & einfach so verehren können, ohne Sex mit ihr zu haben.

Weil sie die vielen, vielen „Dinge“, die wichtiger sind, in ihr sehen…!

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