Jamaâ el Fna

„Du bist Künstlerin“, sagte Carl zu mir. „Nein…, ich bin Lehrerin“, erwiderte ich. „Aha, also Lehrerin für Kunst“, fuhr er weiter. Er fragte nicht, er machte Aussagen.

Das passiert öfters. Dass ich für eine Künstlerin, Innendekorateurin oder Modedesignerin gehalten werde. Auch als Reiseberaterin bin ich schon durchgegangen. Ist jedes Mal irgendwie lustig & irgendwie schön. Denn es zeigt jedes Mal, dass das Gegenüber etwas Wesentliches von mir erkannt hat & anerkennen kann. Das tut natürlich gut, ist ja klar.

Auch ein Schulleiter fragte mich vor ein paar (wenigen) Jahren, ob ich im Nebenberuf Künstlerin sei. Dass ich es hauptberuflich nicht sein konnte, wusste er logischerweise. Er hatte ein Auge auf mich geworfen & ich denke bisweilen daran.

Aber wenn ich in einer Beziehung bin, ist es für mich selbstverständlich, dass ich mit keinem anderen Mann ‘was habe. Also im wahren Sinn des Worts: Es gehört zu meinem Selbstverständnis, zum Verständnis meiner selbst. Darum sende ich dann immer klare Signale aus, dass bei mir nix zu holen sei.

Trotzdem bleiben verschiedene Bemühungen unvergessen. Zum Beispiel die Episode eben damals vor ein paar (wenigen) Jahren, als die (ekligen & verunstaltenden) Gesichtsmasken obligatorisch wurden. „Das ist zwar schade um dein schönes Gesicht, aber es ist jetzt halt einfach so“, sagte Benno* zu mir. Mitten auf dem Korridor in einer Menge von Schülern & Schülerinnen.

Carl, den zwischen Freiburg & Lörrach wohnhaften deutschen Geschäftsherrn, mit dem ich mich im Hotel Kenzi Sidi Maarouf unterhielt, klärte ich dann darüber auf, dass ich hauptsächlich Lehrerin für Sprachen sei. Also Deutsch, Französisch & Englisch. Und ein paar Einzellektionen in Fächern, die ich selbst nicht kann… 🤪

Dass ich nebst dem Fulltime-Job als Lehrerin von Teenagern sowie der involviert & engagiert verstandenen Rolle als Mutter von zwei Teenagern doch noch so allerhand an Kunst „mache“, ergab sich aus unseren Gesprächen dann schon auch. Er hatte es ja sowieso gemerkt, gespürt, gesehen… – was auch immer. Meine Kleider, die Farben & mein Stil waren ihm aufgefallen & gefallen ihm sehr.

Wie im Beitrag „TGV-Flash 1 – Kunst“ bereits beschrieben, halte ich wenig von Kunst um der Kunst willen. Halte ich wenig von Kunst, die möglichst komisch, bizarr, absurd & schräg, schräger, am schrägsten sein muss. Halte ich wenig von Kunst, die der Selbstdefinition dient.

Solche Kunst ist ja oftmals abhängig. Und darin (von aussen betrachtet) nicht nur wenig überzeugend, sondern auch etwas traurig. Unfrei… – sehr unfrei.

Man beobachtet ja so einiges…
Und man könnte schreien ob all‘ den Abhängigkeiten & auf welche „Kosten“ sie gehen.
Man möchte raten auszubrechen, sich zu befreien & etwas (viel) Besseres zu suchen.

Und meist ist es so erschreckend ähnlich: Umso mehr etwas schöngeredet & beschönigt wird, desto auffälliger ist es, dass es eben grad nicht schön war oder ist. Dass (ganz) vieles ausgeblendet wird, dass (ganz) vieles fehlt(e), dass (ganz) vieles (total) ungesund ist.

Wahre Kunst ist unabhängig.

Unabhängig vom Staat. (Was die beiden Impf-Hysterikerinnen Hazel Brugger & Stefanie Heinzmann, um nur zwei Beispiele zu nennen, definitiv nicht sind…!!)
Unabhängig von jeglichen Förderern, Gönnern oder Sponsoren.
Und unabhängig von jeglichen Privatpersonen.

Das Gespräch über Kunst mit Carl, das dann folgte, war interessant. Er interessierte sich für meine Gedanken, ich interessierte mich für seine Überlegungen. So, durch Offenheit & Beweglichkeit im Denken, können fruchtbare Gespräche entstehen, die beide weiterbringen. Weil beide weiterkommen wollen – jeden Tag ein Stückchen weiter. In der ständigen Auseinandersetzung mit der Umwelt, im Zugehen auf Neues & im Integrieren von neuen Inputs in die eigene Gedankenwelt.

Hier in Marrakesch, wo wir seit Samstagnachmittag sind, sind wir auch umgeben von Kunst. Auf dem weltberühmten Platz  Jamaâ el Fna zeigen jeden Abend viele Kleinkünstler & -künstlerinnen, was sie können. Ganz ohne Gelder von aussen. Ganz ohne finanziell absichernde Stützen im Hintergrund.

Einfach so…
Einfach so!
Authentisch, lebendig & ehrlich.

Ich liebe den Ort wie keinen anderen. Und darum beschreibe ich ihn jetzt nicht weiter. Man muss ihn gesehen haben, man muss ihn gehört haben, man muss ihn gerochen haben, man muss ihn erlebt haben. Nichts anderes wird ihm gerecht.

Er gehört zum Unesco-Weltkulturerbe & sollte auf der Bucket List einer jeden kulturell (auch nur ein bisschen) interessierten Person stehen. Nur schon die Art, wie man dort zu Abend isst, ist unvergleichlich. Kommt einfach hierher! Jamaâ el Fna gibt es nur in Marrakesch. Nur hier. 😊

Darum: Über Jamaâ el Fna müsste man ewig schreiben… – ewig, ewig.
Oder kaum etwas ausser: Kommt selbst hierher!

Die Stimmen von Marrakesch…
(Elias Canetti)

Bevor wir vorgestern hierher reisten, verabschiedeten wir uns von Amine, der uns mit Jad zum Bahnhof gefahren hatte, und gingen nach dem Kauf der Zugbillette noch in einem einfachen Restaurant grad ausserhalb des Bahnhofs was Kleines essen. Das heisst, da es nicht viel anderes gab, eine Pizza, die jedoch sehr gut schmeckte. Der Kellner freute sich über das grosszügige Trinkgeld.

Bevor wir die Halle von „Casa Voyageurs“ wieder betraten, kaufte ich einer Frau zwei Päckli Taschentücher ab. Sie freute sich über das, was ich ihr dafür gab. Und Taschentücher kann man immer brauchen, auf Reisen sowieso.

Kaum waren wir in Marrakesch angekommen & hatten unser Zimmer im direkt neben dem Bahnhof liegenden „Red Hotel“ bezogen, wollten wir ein Taxi suchen, wobei wir einem Jungen im Teenager-Alter, der so eine Art Waffel-Kekse mit Kokosnuss verkaufte, begegneten. „Du kannst nicht allen ‘was abkaufen“, meinte Naila zu mir, als ich ihr sagte, sie solle ihm nachgehen. „Du kannst nicht die Welt retten“, war ihre Botschaft an mich.

Trotzdem ging sie ihm, da ich sie dazu etwas antrieb, nach. Er kam zurück & wollte mir dann auf die 20 Dirham etwas zurückgeben, aber ich winkte ab. Ich wusste, dass er kaum je so viel bekommt. Aber ich weiss auch, dass es für meine Verhältnisse so stimmt.

Die Welt kann ich nicht retten, auch das weiss ich, aber ich kann hier jeden Tag ein paar Menschen eine Freude machen, ein Lachen in ihrem Gesicht sehen. Das kann ich. Und das ist viel besser, als nichts zu tun.

Geiz ist nicht geil. Geiz ist so ziemlich das Ungeilste, was es gibt. Und diejenigen, die das nicht merken, sind die ärmsten auf dieser Welt…

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