Binationale Ehen (1) und Meknès, Fès, Volubilis, Moulay Idriss

Da es uns in Meknès so gut gefallen hat, blieben wir eine Nacht länger als geplant und verlängerten unseren Aufenthalt im Riad „Dar Meknès Trésor“ auf vier Nächte. Das Haus ist ein Juwel oder eben, wie der Name ja schon besagt, ein Schatz.

Rashid ist an der Grenze zur Wüste aufgewachsen und bereitet das beste Frühstück zu: mit frischen „Mesemen“, die ich seit meiner ersten Marokko-Reise Ende November 2004 liebend gerne esse und die wir, in kleinerer Ausführung, im Hotel Val d‘Anfa in Casablanca ebenfalls bekommen, und mit „Harscha“, über die ich mich, da sie (viel) seltener serviert werden, sogar noch mehr gefreut habe.

Meknès gehört für mich zum „richtigen“ Marokko mit seiner alten Medina, den engen, verwinkelten und manchmal dunklen Gassen, den farbenfrohen Souks, den Düften von Gewürzen, Pfefferminztee und grilliertem Fleisch, den Naturprodukten, die nicht ein (ach so cooler…) Lifestyle, sondern das Normalste der Welt sind: Arganöl, um ein einziges Beispiel zu nennen.

Ausserdem besuchten wir die Koranschule in der Medina und die weitläufige, imposante Königsstadt – letztere in der Kutsche. Zuvor hatten wir eine Tour zu Fuss durch das jüdische Viertel wie durch das Berberviertel mit einem „Guide“, den wir im Café „Bab Mansour“ kennengelernt hatten, gemacht.

Wir geben den Menschen für ihre Dienste jedes Mal einen guten Lohn – das ist für uns selbstverständlich. Leider ist es das aber nicht für alle Touristen; es gibt – immer und überall – auch die, die sich daran aufgeilen, für alles, was sie wollen, möglichst wenig zu bezahlen und die Preise so tief wie möglich zu senken. Das ist zum Kotzen.
Und ein trauriges Leben. Denn: Ein egoistisches und geiziges Leben ist ein sinnloses Leben. Oder positiv formuliert: Ein sinnvolles Leben ist geprägt von Grosszügigkeit, ehrlichem Interesse an anderen Menschen und Mitgefühl.

Mit Menschen, die so fühlen, so denken und so leben, fühle ich mich wohl.
Mit denen, die nur an sich und ihre eigene (kleine) Familie denken (womit wir in der Nähe des grossen Irrtums und des grossen Defizits wären… (siehe vorheriger Beitrag „Blockiert“)) und denen es nur um sich und ihre eigene (kleine) Famille geht, fühle ich mich hingegen gar nicht wohl.

Auch mehr als erstaunt bin ich über Leute in der Schweiz, von denen ich weiss, dass sie gut verdienen, und die im Restaurant – trotzdem – zu geizig für ein Trinkgeld sind. Wenn sie für 23.40 Franken zu Mittag gegessen haben, bezahlen sie 23.40 Franken. Auf den Rappen. Schon die 60 Rappen, um auf 24 Franken aufzurunden, sind ihnen zu viel – vom Aufrunden auf 25, 26, 27 oder 28 Franken ganz zu schweigen.

Sie wählen das Günstigste auf der Karte aus, verzichten auf ein Getränk und geben, wie erwähnt, keinen Rappen Trinkgeld. Nicht meine Welt – definitiv nicht. Ich verspüre in der Gegenwart sich so verhaltender Leute immer eine bedrückende Enge. Und irgendwie kommt mir das Verhalten so klein, so armselig vor.

Umso glücklicher bin ich in der Gegenwart von grosszügigen Menschen. Ich erinnere mich zum Beispiel an zwei ehemalige Arbeitskollegen, mit denen ich damals in München war und die sehr grosszügig Trinkgeld gaben, als wir zusammen essen gingen. Überhaupt: Viele in meinem Umfeld erlebe ich – zum Glück – als grosszügig.

Zurück zur Marokko-Reise: Peter und ich sind grosszügig und bezahlen für das, was wir kaufen oder in Anspruch nehmen, immer einen guten Preis. (Das läuft hier meistens anders, als wie wir es von den festen Preisen in der Schweiz her kennen; darum schreib‘ ich das hier.)

Zu Taiebs 14. Geburtstag haben wir eine stattliche Reihe Fussball-Shirts gekauft, die meisten mit dem Namen seines Lieblingsspielers Ronaldo aufgedruckt. (Ich kann mit dem eher wenig anfangen und das ist auch einer der vielen Running-Jokes bei uns… 😃)

Für Naila habe ich auf unserem Ausflug nach Fès, wo wir bei 40 Grad (🥵🥵) das jüdische Viertel, die Souks, die Medina mit ihren Gerbereien sowie die Neustadt (Königsstadt) besuchten, eine goldene Halskette mit einem hübschen Blumenanhänger gekauft – dies als Geschenk von Mutter an Tochter, wenn die Tochter vom Mädchen zur Frau wird. ❤️

Für beide habe ich in Fès, der Stadt der Gerbereien, je ein Portemonnaie gekauft, aus Leder und in verschiedenen Farben – in der Hoffnung, dass sie das Geld zukünftig so mitnehmen und nicht einfach in eine Hosentasche oder den in den Thek stecken. (🙈)

Peter hat, natürlich ebenfalls in Fès, für sich ein Lederportemonnaie und für mich zwei geflochtene Ledertaschen gekauft: Eine ist Pink, die andere ist Türkis. Sie sind schön; ich freue mich darüber.

Dazu kommen mehrere kleinere Andenken, wie eine aus Eisen gefertigte und mit Silberfäden verzierte kleine Dose, die Peter in Meknès für sich gekauft hat, sowie zwei Paar Ohrringe, die er beim gleichen Handwerker, der mit seinen Kunstwerken die Messen dieser Welt bereist hat, für mich gekauft hat.

Und zwei wunderschöne Teppiche: einen für unser neues (und eigenes 😀) Haus in Winterthur-Wülflingen, das wir im Dezember 21 oder spätestens im Januar 22 beziehen werden, und einen für meine marokkanische Familie.
Ich werde ihn, wenn wir zurück in Casablanca sind, von ganzem ❤️ schenken: für das, was ich grad nicht in Worte fassen kann und, so vermute ich, auch nie können werde.

Der Gründe mag es verschiedene geben, wie man so schön sagt.
Gibt es sicher auch.
Einen davon habe ich im letzten Beitrag („Blockiert“) angedeutet.

Ein anderer ist damit verbunden, dass 75% bis 90% der binationalen Ehen, in denen die Frau eine Westeuropäerin ist und der Mann aus einem anderen Kulturkreis stammt, getrennt oder geschieden werden. (Wenn der Mann ein Westeuropäer ist und die Frau aus einem anderen Kulturkreis stammt, sind die Zahlen (viel) tiefer – das sollte man ebenfalls wissen.)

Und wie viele der 10% bis 25%, die (im ersten der erwähnten Fälle) zusammen bleiben, eine befriedigende und erfüllende Partnerschaft führen, sei dahingestellt. Ich hab‘ da meine Zweifel.

Was ich damit sagen möchte: Eine binationale Ehe (Frau Westeuropäerin, Mann aus einem anderen Kulturkreis) ist ein (noch) viel, viel gewagteres Wagnis und eine (noch) viel, viel grössere Herausforderung als eine Ehe von zwei Menschen aus dem gleichen Kulturkreis.
Darüber könnte ich Dutzende von Blogbeiträgen, wahrscheinlich sogar ein Buch schreiben. Und ich werde auch mehr darüber schreiben; dann, wenn die Zeit dafür reif ist und ich dazu inspiriert bin.

Das gilt auch für den anderen erwähnten Grund.

Das gilt noch für ein paar weitere Themen.

Hier und jetzt „nur“ das: Eine binationale Ehe in der oben erwähnten Konstellation scheitert meistens zum (weitaus) grössten Teil an eben der Binationalität. So auch bei uns. Es gibt keine Ressentiments, keinen Groll, schon gar keinen Hass. Unvorstellbar, undenkbar.

Und: Wer selbst keine binationale Ehe in oben genannter Konstellation eingegangen ist, soll, um in den Worten von Teenagern zu reden, die Fresse halten. Punkt. Nicht mehr, nicht weniger. Einfach die Fresse halten.

Ihr – und damit meine ich explizit „nur“ die, die eben keine, aber auch wirklich gar keine Ahnung von dieser komplexen Thematik haben und dennoch ihre Fresse nicht halten können – wisst gar nix.
Eure Vorstellungen, eure Meinungen, eure Urteile zeigen das, was ihr nicht wahrhaben könnt oder wollt: grenzenlose Naivität und grenzenlose Überheblichkeit – eine höchst unselige Allianz.

Ihr seid doch die Gleichen, die die Offenheit und den Mut für eine binationale Ehe nie und nimmer hätten aufbringen können oder die schon nach einem halben Jahr kolossal gescheitert wären.
Ihr seid doch – oft – die Gleichen, die es sich immer möglichst einfach machen – oder?
Versucht, dort etwas beizutragen, wo ihr etwas beizutragen habt. Und lernt zu erkennen, wo das ist. Jedenfalls nicht dort, wo euch jegliche Erfahrung fehlt.

Für heute genug zu dem Thema.

Peter und ich besuchten gestern die römische Ausgrabungsstätte Volubilis (Oualili) und das heilige Dorf Moulay Idriss.
Wie Meknès und Fès ebenfalls kannte ich sowohl Volubilis (Oualili) als auch Moulay Idriss von früheren Besuchen her.

Doch ich bin gerne an all‘ die Orte zurückgekehrt; erstens hat man nie alles gesehen und zweitens präsentiert ein und derselbe Ort sich jedes Mal wieder anders, wenn man die Sinne dafür offen hält. Und das tu‘ ich nicht nur in Marokko, sondern überall.

Wir sind zurück in Casablanca: drei Stunden Zugfahrt – eine andere Welt.

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