Velociraptor

Wie reagiert man auf Zynismus? Mit Humor. Zum Beispiel mit einem Dinosaurier-Ei in der Küche. Es ist auf dem Beitragsbild zu sehen und liegt seit gestern in Wasser eingetaucht in einer Glasschüssel, hat bereits Risse bekommen und wird von Taieb aufmerksam beobachtet. Er vermutet einen Velociraptor: schneller Räuber. Ausgerechnet.

Mit Humor: Wir werden über den Besuch bei Herrn Kurmann und über seinen Bericht lachen. Wir haben bereits darüber gelacht. Was sollen wir anderes tun angesichts so viel fachlicher und menschlicher Dummheit?

Mit Humor – und mit dem Gang an die Öffentlichkeit: darüber reden, darüber schreiben, kämpfen. Es geht um Gerechtigkeit. Es geht um den Hohn, der in der ganzen Sache steckt. Den Zynismus. Es geht um Schmerzen, um entzündete Organe, die ihren Dienst versagen könnten, um Ängste, um Müdigkeit und Übelkeit, um Einschränkungen, um Blut.

Um das Blut bei inneren Blutungen, das Blut bei äusseren Blutungen, das Blut der Organe und das Blut der Seele. Es geht um das Blut, das die Zyniker an ihren Händen haben. Um das Blut, das Leben bedeutet.

„Ja klar, das versuchen die immer.“, erwiderte die Juristin und Journalistin heute kurz vor Mittag am Telefon. Das Gleiche hatte mir ihre Kollegin schon gesagt. Ein Arzt hat gesagt, er bezweifle, dass Herr Kurmann von irgendetwas, was relevant wäre, eine Ahnung habe und dass oft Bürokraten-Typen diesen Weg wählen würden: Vertrauensarzt für eine Versicherung zu werden und alles daran zu setzen, eine Person, die krank ist, für gesund zu erklären:

Herr Kurmann funktionierte wie ein Roboter, ihn berührte nichts. Zyniker sind emotional hochgradig gestörte Menschen. Hinter ihrem Zynismus verbirgt sich ein Scherbenhaufen, ihr eigener Scherbenhaufen. Die Verzweiflung anderer nehmen sie nicht wahr oder sie prallt an ihnen ab, auch wenn sie noch so gross ist.

„Sie hatten da ja einmal ein bisschen wenig Blut.“ „Ja, ein bisschen wenig, richtig. So wie die meisten Frauen. Sie machen ja keine Unterschiede zwischen der Menstruation und schweren Erkrankungen, zwischen ein bisschen wenig und viel zu wenig, zwischen sechs Tagen und acht Monaten, zwischen Burgerstein und Imurek.“ „Wie hoch ist Ihre Kortisondosis? 2,5 Milligramm?“ „Ja, Herr Kurmann, 2,5 Milligramm. So ein bisschen zum Spass. Anstelle von Koks. So sehe ich ja auch aus, oder? Wobei 2,5 Milligramm nicht einmal einen Espresso ersetzen würden. Mit 2,5 Milligramm wäre ich nicht mehr am Leben, Herr Kurmann, und Sie würden jetzt jemand anderen schikanieren, der oder die sich vielleicht nicht wehren könnte.

Sie hätten nicht nur meine Krankengeschichte lesen und studieren sollen; Sie hätten auch sonst etwas über mich herausfinden sollen. Aber das konnten Sie nicht, Sie sind im Denken viel zu langsam. Sie müssen ja auch nicht viel denken; Ihr Ziel und Ihre Resultate stehen ja sowieso immer zum Vornherein fest. So verkümmert das Denken wohl noch mehr. Und noch schlimmer: das Fühlen. Ich werde Ihnen nie zeigen können, wie schlimm das ist. Es tut mir fast leid für Sie. Wenn ich täte, was Sie tun, und mir dann auf dem Sterbebett Rechenschaft darüber ablegen müsste – eine furchtbare Vorstellung: „St. Peter’s Gate.“ Dort müssen auch Sie vorbei.“

Die Augenentzündung (von der Herr Kurmann nichts weiss) ist zum Glück zu keiner Uveitis geworden, und die Augenärztin war gestern zufrieden. Ganz wenig spüre ich sie immer noch, bin aber erleichtert, dass es auch im Innern der Augen wieder gut aussieht. Ob die Länge und die Heftigkeit etwas über den Verlauf der gesamten Erkrankung aussagen, habe ich sie dann doch nicht gefragt: nicht, weil ich die Frage vergessen hätte, sondern weil ich es nicht wissen wollte. Vielleicht frage ich dann meinen Hauptfacharzt im November. Beim Optiker habe ich am 19. November noch einmal einen Termin; er konnte nicht alles so genau messen, wie er wollte, weil eben noch nicht alles ganz in Ordnung ist. Das merkte auch die Fussreflexzonen-Therapeutin heute Morgen, was mich einmal mehr beeindruckte.

Bei dem Regen heute dachte ich besonders oft an Mallorca zurück. Gerne wäre ich noch eine Woche länger geblieben; das Sommerwetter hätte dazu eingeladen. Der Abschied fiel mir schwer, doch ich freue mich für die Menschen, die diese Woche noch dort verbringen können. Sie haben auch alle ihre Geschichten, und viele haben Sonne, Wärme und Erholung (besonders) nötig. Als ich den letzten Sangría trank, verabschiedeten die Kinder sich vom Molly-Club und kauften die CD dazu. Jetzt läuft bei uns jeden Tag „Puedes ser un superstar“.

 

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